Neutralität – ein in der letzten Zeit umstritten verwendeter Begriff. Während für einen Teil der Herrschenden heute vollkommen klar ist, dass die Neutralität ihren Interessen entgegensteht und an ihrer Abschaffung gearbeitet wird, versucht ein anderer Teil die Neutralität noch als „Vehikel“ für stärkere außenpolitische Einmischung und die Stabilisierung, sowie Erhaltung des Einflussbereichs Österreichs in anderen Ländern zu nutzen. Ein eng mit zweiterer Haltung verbundener Begriff ist jener der „aktiven Neutralität“, eine Konzeption welche imperialistische Einflussnahme hinter „neutraler Staatspolitik“ zu verschleiern versucht.
Den Begriff der „aktiven Neutralität“ prägte vor allem der einstige Bundeskanzler Bruno Kreisky, an den sich so mancher SPÖler aufgrund der damaligen Stärke der Sozialdemokratie noch heute nostalgisch zurückerinnert. In Bezug auf die Neutralität wird die Kreisky-Nostalgie vor allem deshalb wieder aufgewärmt, da Österreich als kleines imperialistisches Land in dieser Periode vergleichsweise viel zu sagen hatte. Man konnte den eigenen „Pazifismus“ hervorstreichen, während trotzdem satte Profite aus dem Ausland winkten. Vor allem mit dem EU-Beitritt wurde die „aktive Neutralität“ von den Herrschenden nicht mehr betont, denn sie sollte am Besten in der Schublade verstaut werden, um Aufrüstung, NATO-Partnerschaft und EU-Armee voranzubringen. Erhalten blieb sie bei so manchen pazifistischen Initiativen, liberalen Demokraten und anderen Teilen der Volksbewegung. Kann jedoch die aktive Neutralität eine richtige Forderung für eine neue Friedensbewegung sein?
Aktive Neutralität bezeichnet die Einhaltung der militärischen Neutralität, bei gleichzeitiger diplomatischer Involvierung und Teilnahme an sogenannten „Friedensmissionen“ (v.a. UNO). Da Neutralität eine Form der Staatspolitik ist, wird sie von jenen betrieben (oder nicht betrieben) die an der Macht sind. Wenn heute Teile der Friedensbewegung eine „aktive Neutralität“ fordern, bitten sie damit die Herrschenden sich aktiver in internationale Konflikte und Kriege einzumischen. Doch auch „Friedenspolitische“ Staatsaktivität ist nicht neutral, sondern mit den Interessen jener verbunden, die sie betreiben. Wenn sich der Staat Österreich, als Mitglied der EU und in Partnerschaft mit der NATO, außenpolitisch einmischt, oder bei „Friedensmissionen“ teilnimmt, dann tut er das natürlich nicht aus „Solidarität“ und „Völkerfreundschaft“, sondern um die eigenen Interessen zu schützen. Beispielsweise ist Österreich Teil der „EU-Friedenstruppe“ Eufor in Bosnien, welche kürzlich um 120 österreichische Soldaten aufgestockt wurde. Das ist ein Beispiel der beschriebenen „aktiven Neutralität“ Österreichs, die am Balkan vor allem gewährleisten soll, dass österreichische Investitionen getätigt werden, Betriebe weiterhin billig produzieren und Profite eingestrichen werden können – um „Stabilität“ für das Kapital zu schaffen.
Pamela Rendi-Wagner sprach sich kürzlich ebenso für eine „aktive, engagierte Neutralität“ im Zuge des Ukraine-Krieges aus, deren Voraussetzung eine verstärkte sicherheitspolitische Zusammenarbeit der EU sei. Die offenen Kriegsbefürworter kritisieren diese diplomatische „Vermittlerrolle“ als fehl am Platz, da man zur Kriegspartei werden müsse, um die Ukraine wirklich zu unterstützen. Eine „aktive Neutralität“ im Sinne eines „raschen Friedens“ durch Diplomatie ist einerseits derzeit nicht das Interesse der internationalen Kriegstreiber, andererseits würde ein durch die Imperialisten selbst ausverhandelter Frieden nur eine weitere Gebietsaufteilung und Unterjochung der Ukraine bedeuten. „Sie [die Revolutionäre] werden sich an jeder Bewegung und an jeder Demonstration, die auf dem Boden der Empörung über den reaktionären Charakter des Krieges erwächst aufs leidenschaftlichste beteiligen, aber sie werden das Volk nicht betrügen, indem sie den Gedanken zulassen, dass ohne eine revolutionäre Bewegung ein Frieden ohne Annexionen, ohne Unterjochung von Nationen, ohne Raub, ohne den Keim neuer Kriege zwischen den jetzigen Regierungen und herrschenden Klassen möglich sei. Ein solcher Volksbetrug käme nur der Geheimdiplomatie der kriegführenden Regierungen und ihren Plänen zugute.“ (V. I. Lenin) Alle Lehren der Geschichte zeigen, dass unterdrückte Völker nur dann einen wirklichen Frieden und Selbstbestimmung erstreiten können, wenn sie sich in einer revolutionären Erhebung den Plänen der Imperialisten und Herrschenden im eigenen Land entgegenstellen, wenn sie nicht auf das „Wohlwollen“ der Herrschenden, sondern auf das Volk vertrauen. Die „aktive Neutralität“ ist einer neuen Friedensbewegung und den Interessen des Volkes entgegengesetzt, da sie sich gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und deren Bestreben nach Freiheit und Souveränität stellt. Der Frieden kann nur und muss von den Arbeitern und den Völkern selbst verteidigt werden!
Bildquelle: EUFOR_TACTICS by Rock Cohen, CC BY-SA 2.0
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