top of page
Katharina J.

Deindustrialisierung Österreichs?



Kaum eine Woche vergeht derzeit ohne die Meldung, dass eine weitere größere Betriebsinsolvenz vor der Tür steht, hunderte bis tausende Arbeitsplätze wackeln, und massive Einsparungen geplant werden. Selbst bei so manchen bürgerlichen Politikern und Ökonomen ist das Wort „Deindustrialisierung“ bereits angekommen. Genutzt wird es durch diese aber meist nur um Forderungen nach Sparpaketen, Lohnsenkungen und Verschlechterungen für die Arbeiter und Angestellten zu rechtfertigen.


Firmenpleiten, Kündigungen und höhere Arbeitslosigkeit.

Laut aktuellen Hochrechnungen des Kreditschutzverbandes (KSV) stiegen die Firmenpleiten im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent. 6.550 Betriebe meldeten im Jahr 2024 Insolvenz an, rund 30.200 Arbeiter und Angestellte (plus von 27,4 Prozent) sind davon betroffen. Zudem gab es beinahe eine Verdoppelung der Anzahl an Großinsolvenzen. Der KSV rechnet mit einem weiteren Anstieg auf 6.500 bis 7.000 Unternehmenspleiten im nächsten Jahr. (1)


Die Schlagzeilen kennen alle: Der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler schließt sein Werk in Berndorf und setzt damit 450 Arbeiter vor die Tür. KTM hat ein Insolvenzverfahren eröffnet und bis zu 3.600 Beschäftigte könnten ihre Arbeit verlieren, 250 davon wurden bereits gekündigt. Gehälter und Weihnachtsgeld wurde den Arbeitern bisher verwehrt. Nachdem beim Automobilhersteller Magna Steyr (Steiermark) bereits im April 500 Arbeiter aus dem Werk in Graz gekündigt wurden, folgten nun 200 Kündigungen am Standort in Lannach. (2) Die Kika/Leiner Pleite bringt ebenso neue Entlassungen: Weitere 1.400 Beschäftigte stehen vor dem Aus. Die Arbeitslosigkeit liegt bereits zehn Prozent über dem Vorjahresniveau, das „Sorgenkind bleibt dabei vor allem die Industrie“ (3) mit einer Steigerung von mehr als 16 Prozent, so AMS-Vorstand Johannes Kopf.


Ein Weiterführen der Lohnerhöhungen halten wir nicht mehr aus“

Angesichts der Krise wird von Industrievertretern und politischen Repräsentanten des Kapitals immer wieder auf die „Sicherung des Wirtschaftsstandortes“ hingewiesen. Die Forderungen dahinter sind nicht schwer zu erraten: Weitere Erhöhung des Pensionsantrittsalters, Einsparungen in Gesundheits- und Sozialwesen und Reallohnsenkungen. Der Präsident der Industriellenvereinigung in der Steiermark, Kurt Maier, sprach erst kürzlich in einem Ö1-Interview Klartext darüber, was sich die Kapitalisten erwarten. „Es braucht eine Radikalkur“, so Meier und „ein neu denken der Kollektivvertragsverhandlungen“. Er hat wenig Sorge darüber, dass die Sozialpartner auch Folgendes verstehen: „Ein Weiterführen der Lohnerhöhungen wie in den letzten drei Jahren halten wir sicher nicht mehr aus“. Die Ansage für die österreichische Industrie ist klar: Trotz Reallohnsenkungen in den letzten Jahren, wird weiterer Lohnabbau gefordert. „Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen, um wieder zukunftsfähig werden zu können“, denn ansonsten „werden dramatische Einschnitte in Bezug auf Arbeitsplätze kommen“ (4). Den Gürtel enger schnallen gilt natürlich für die Beschäftigten und deren Familien, nicht für die Konzernchefs und deren Günstlinge, was man an den Beispielen Pierer, Benko und Co. vortrefflich sieht.


Deindustrialisierung ist Realität.

Das Abwandern von Betrieben in sogenannte „Billiglohnländer“, der Abbau einzelner Industriezweige, oder auch die Auslagerung von Produktionsschritten ins Ausland ist Realität. Reine Schönfärberei ist es, wenn das arbeiterfeindliche Blatt „Der Standard“ titelt: „Deindustrialisierung in Österreich? Kein Anlass für Alarmismus“ (5). Dementsprechend ablehnend sind auch die Kommentare zum Artikel. Genauso falsch wie das Leugnen der Gefahr der Deindustrialisierung, wäre aber auch die „Notwendigkeit“ des Sozial- und Lohnabbaus, der weiteren Einschränkung der Arbeitsrechte und der weiteren Liberalisierung des Arbeitsmarktes (Leiharbeit, Scheinselbständigkeit, Lohndumping etc…) zu verteidigen. Die Arbeiterklasse muss ihre eigenen Forderungen gegen die Deindustrialisierung erheben, ansonsten werden Angriffe wie im oben genannten „Programm“ des IV-Präsidenten Maier auch in politische Realität gegossen werden. Die Forderungen und Interessen der Arbeiterklasse für den Erhalt der Arbeitsplätze und der Industrieproduktion können und sollen nicht unabhängig von der Konzentration des Kapitals und der Macht der Monopole, den Auswirkungen der EU-Wirtschaftsliberalisierung und den derzeitigen politischen Interessen der Herrschenden in Österreich gesehen werden.


(1) ksv.at

(2) elektroauto-news.net

(3) oesterreich.orf.at

(4) oe1.orf.at

(5) derstandard.at


Bildquelle:

Blick vom Pfenningberg auf das Werksgelände die Voestalpine, by Haeferl, CC BY-SA 4.0


bottom of page