
Fünf Jahre Lockdown: Im März 2020 wurde der erste „Lockdown“ über die österreichische Bevölkerung verhängt und markierte damit den Beginn einer Politik, welche die nachfolgenden Jahre maßgeblich beeinflusste. Aus diesem Anlass sprachen wir mit dem Verleger, Autor und Publizisten Hannes Hofbauer (Promedia Verlag) über die Lockdown-Maßnahmen, damit verbundene Angriffe auf demokratische und soziale Rechte und den Widerstand dagegen. Das Interview ist ein Rückblick in eine Zeit, die einen gewissen Wendepunkt markierte. Es ist aber auch ein Ausblick, um sich heute und in Zukunft für die Verteidigung der sozialen und demokratischen Rechte einzusetzen.
(Redaktion der Roten Fahne)
Die Rote Fahne: Vor 5 Jahren, am 16. März 2020, wurde der erste Corona-Lockdown über die Bevölkerung in Österreich verhängt. Ausgangssperren, Kontaktverbote, Schulschließungen, etc… Danach folgten weitere Lockdowns, von harten bis „soft Lockdowns“, Lockdown für Ungeimpfte etc… Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie heute an diese Zeit zurückdenken?
Hannes Hofbauer: Der repressive Charakter der ganzen Politik. Am Anfang konnte man nicht einschätzen, wohin sich das entwickelt. Ich bin ja kein Mediziner und konnte überhaupt nicht einschätzen, was das von einem gesundheitlichen Standpunkt aus bewirkt. Aber ziemlich bald war klar, dass es nicht die Pest oder die Cholera ist und dass die Leute nicht sterben „wie die Fliegen“. Und als Wirtschaftshistoriker habe ich gemeinsam mit Andrea Komlosy sehr schnell erkannt, dass es in erster Linie darum geht, staatliche Gelder aufzutreiben, also Nachfrage zu stimulieren für neue Branchen – Biotech, Pharma, Künstliche Intelligenz – um eine Blockade in der Kapitalverwertung überwinden zu können. Und wenn man es aus historischer Perspektive sieht war es immer so – in den 1870er Jahren die Eisenbahn, dann irgendwann die Chemieindustrie, nach dem Krieg die Autoindustrie – dass der Staat irrsinnig viel Geld in die Hand genommen hat, um diese Industrien zu fördern. Man nennt es normalerweise Keynesianismus, wenn die Nachfrage von staatlicher Seite kommt. Und so war es ja auch: es sind Milliardenbeträge – und nicht nur in Österreich, sondern in sehr sehr vielen Ländern der Welt dafür aufgestellt worden, um die Pharmaindustrie, Biotech und auch gewisse Technologien – man könnte es unter „Kybernetische Revolution“ zusammenfassen – zu fördern. Und das ist eigentlich aufgegangen. Der Effekt, den man heute nach fünf Jahren, sieht, ist in erster Linie kein gesundheitspolitischer, sondern eine Einübung in Techniken dieser „Kybernetischen Revolution“. Dass zum Beispiel digitalisierte Lebensweisen unglaublich stark gefördert wurden, vom Home-Office bis zum bargeldlosen Zahlen. Das hat es alles schon gegeben, aber es war ein irrsinniger Anschub in diese Richtung. Und ich würde auch sagen, dass da nicht immer der ganz große Plan dahintergestanden ist, aber in dem Moment, in dem erkannt wurde, dass man in diese Richtung gehen kann, sind diese Mechanismen stärker eingesetzt worden.
Die Rote Fahne: Bereits im Herbst 2020 erschien Ihr, gemeinsam mit Stefan Kraft herausgegebenes, Buch „Lockdown 2020“. Im darin enthaltenen Vorwort schreiben Sie: „Spätestens nach den ersten Wochen des Auftauchens von Covid-19-Erkrankungen in Europa hätte klar sein müssen, dass die Maßnahmen überschießend und unverantwortlich sind“. Waren Sie schon von Beginn an Kritiker der Lockdownmaßnahmen?
Hannes Hofbauer: Ich kann nicht den genauen Tag sagen, aber ziemlich schnell. Und zwar nicht aus einer medizinischen Erkenntnis heraus, sondern aus einem wirtschaftspolitischen, wirtschaftshistorischen Blickwinkel. Das ist ja auch etwas, das uns nach wie vor beschäftigt. Die EU hat ziemlich bald 700 Milliarden Euro aufgelegt, sogenannte „Corona-Hilfen“, mit denen sie Länder erpressen konnte, die nicht bei dem mitgemacht, haben was die EU wollte. Und für diese 700 Milliarden Euro werden, glaube ich, im Jahr 2026 die Kapitalrücklagen fällig, denn bislang werden nur die Zinsen für diese Schulden bedient. Und das wird bis Mitte der 2050er Jahre die EU-Budgets belasten. Hier sieht man bereits, dass es sich um eine riesige Dimension handelt, was da an Geldern aufgestellt worden ist. Insofern würde ich auf die Frage zurückkommen: Schon bald war mir klar, war einigen klar, dass es hier nicht um Gesundheit geht, sondern um einen Anschub von neuen Sektoren im wirtschaftlichen Bereich. Deshalb haben wir dann auch Leute um uns versammelt, andere haben auch mich aufgesucht und umgekehrt, haben versucht, uns ein wenig dagegen aufzustellen und eine kleine Gruppe gegründet, die heißt „Demokratie und Grundrechte“. Parallel dazu hat es auch andere Gruppen gegeben. Wir haben uns immer als linke Gruppe verstanden und sind auch als solche erkannt worden. Zu uns sind Leute gekommen, die sich gewundert haben, warum die politische Linke nicht darauf reagiert. Viele der politischen Linken sind darauf reingefallen: Sie haben gedacht, dass man nicht dagegen sein kann, wenn der Staat etwas für die Gesundheit ausgibt. Wenn man aber der Meinung war, dass es nicht für die Gesundheit war, hatte man eine andere Erkenntnis. Beispielsweise dort, wo eine andere Politik gemacht worden ist, wie in Schweden oder der Schweiz, wo die Maßnahmen viel leichter waren und nicht so kräftig und repressiv, sind die Leute auch nicht kränker geworden.
Die Rote Fahne: Im Vorwort von „Lockdown 2020“ schreiben Sie auch: „Gesundheit und Grundrechte müssen genauso miteinander vereinbar sein wie soziale Gerechtigkeit und politische Freiheit“. Was meinen Sie damit?
Hannes Hofbauer: Es hat sich ziemlich bald gezeigt, dass die Wahrnehmung auseinanderbricht zwischen jenen, die gesagt haben, es geht um die Freiheit und um die Grundrechte und jenen die auch die soziale Frage berücksichtigt haben. Bei Ersteren hat ja sehr viel gegeben, insbesondere von der politischen Rechten, die dann gegen die Maßnahmen aufgetreten sind, aber sie haben die soziale Frage überhaupt nicht berücksichtigt. Zum Beispiel in der Frage, wen der Lockdown betrifft. Ich nehme an, René Benko wird es nicht sehr betroffen haben. Der ist einfach zwischen seinen Schlössern und großen Häusern herumgefahren. Und auch Bill Gates ist herumgeflogen in der Welt, weil die Flughäfen für Privatflugzeuge nicht gesperrt waren. Während es beispielsweise in einer vierköpfigen Familie in Wien Favoriten gekracht hat, wenn keiner hinaus oder in die Arbeit gehen konnte, oder nur in die Arbeit hat gehen können. Die soziale Frage ist von Linken immer zu berücksichtigen, aber es war besonders drastisch zu sehen, wie unterschiedlich das die Leute betrifft. Auch die Intellektuellen waren wenig davon betroffen. Auch bei mir war die Betroffenheit nicht sehr groß, denn wir haben einen Verlag und wir haben weiterhin Bücher gemacht. Ich bin selbstständiger Unternehmer. Es hat mich persönlich betroffen, indem ich keine Leute treffen konnte usw., also die sozialen Kontakte und die Einschränkungen insgesamt waren katastrophal. Aber ich war natürlich wesentlich weniger betroffen als irgendein Familienvater einer größeren Familie, wo die Kinder nicht in die Schule gehen durften.
Die Rote Fahne: Der Gründer und Ehrenvorsitzende des Weltwirtschaftsforums (WEF), Klaus Schwab, ließ mit dem vom WEF herausgegebenen Buch „The Great Reset“ aufhorchen. Darin skizzierte er die Bedeutung der „Corona-Zeit“ mit folgenden Worten: „Viele von uns fragen sich, wann sich die Dinge wieder normalisieren werden. Die kurze Antwort ist: niemals. (...) Die Welt, wie wir sie in den ersten Monaten des Jahres 2020 kannten, gibt es nicht mehr, sie hat sich im Kontext der Pandemie aufgelöst. (...) Die Veränderungen werden nicht linear verlaufen und es wird drastische Brüche geben.“ Die damaligen politischen Spitzen der österreichischen Bundesregierung äußerten sich ähnlich: „Wir leben in einer neuen Zeitrechnung“ meinte beispielsweise der ehemalige Finanzminister Blümel im März 2020. Sebastian Kurz sprach von der „neuen Normalität“. War Corona tatsächlich eine Zeitenwende und worin besteht sie?
Hannes Hofbauer: Ich glaube, es war eine Zeitenwende. Aber wie es bei Zeitenwenden immer ist, war es keine abrupte Sache. Sie kündigt sich schon lange an und wird dann beschleunigt. Schwab sprach in dem Buch von einer vierten industriellen Revolution, was mehr oder minder ein anderer Ausdruck für das „Kybernetische Modell“ ist, das in die Menschen durch diese Maßnahmen mehr eingedrungen ist. Das „Kybernetische Modell“ besteht darin, dass man die Massenproduktion - also das Industrielle, wie wir das kennen – eher zurücklässt und stattdessen das Individuum sich selbst optimiert im gesundheitlichen und in vielen anderen Bereichen und der Durchmarsch der digitalen Welt gegenüber der industriellen Welt stattfindet. Und das hat Schwab richtig erkannt. Das haben viele erkannt. Ich glaube aber nicht, dass nur, weil es postuliert wird, alles immer eins zu eins durchgeht, weil natürlich auch das Kapital unterschiedliche Kräfte hat. Nicht nur die Pharmaindustrie hat jubiliert, wo große Konzerne wie Pfizer und andere einen vierstelligen Prozentsatz an Umsatz- und Gewinnsprung hatten, sondern es gibt auch andere Kapitalgruppen, die andere Interessen haben. Und insofern habe ich immer davor gewarnt, das alles auf große Pläne zurückzuführen und dem Schwab alles in die Schuhe zu schieben, so wie es in der maßnahmenkritischen Szene ziemlich populär war. Schwab hat das schon ernst gemeint, was er gesagt hat, aber es war sozusagen ein Wunschprogramm und nicht eins zu eins umzusetzen.
Die Rote Fahne: Kaum ein Politiker, der nach der Corona-Zeit in Verantwortung war, hat sich nicht im Nachhinein kritisch zu den einen oder anderen Maßnahmen geäußert. Der Epidemiologe Gerald Gartlehner, der auch Mitglied der Corona-Ampelkommission war, äußerte sich Ende Februar 2025 zum Verhältnis von Gesundheit und Covid-Maßnahmen: Überall seien Fehler gemacht worden, die Impfpflicht war nur einer davon. „Die Maßnahmen bleiben eine politische Entscheidung, wir als Kommission durften nur noch die Ampelfarben schalten“ und „Wenn unsere Aussagen ins politische Schema passten, wurden sie angenommen. Wenn die Einschätzung nicht zu den politischen Plänen passte, wurde sie ignoriert“ (1). Wir würden sagen, dass sind Zugeständnisse und Eingeständnisse, dass sie einen großen Teil der Bevölkerung gegen sich aufgebracht haben und Maßnahmen wie die Impfpflicht ja schlussendlich durch eine massenhafte Protestbewegung gestürzt werden konnten. Was denken Sie, warum wurde und wird zurückgerudert?
Hannes Hofbauer: Ich glaube einerseits nicht, dass so viel und so stark zurückgerudert wird. Andererseits, zurückkommend auf die Frage der Stärke der Bewegung und der Tatsache, dass die Impfpflicht in Österreich (neben dem Vatikan das einzige Land, in dem sie je eingeführt wurde) zurückgenommen wurde, das hatte natürlich etwas mit der Bewegung zu tun. Da waren hunderttausend Leute rund um die Ringstraße und dann zufälligerweise noch die Wahlen in Oberösterreich und in Waidhofen an der Ybbs, einer kleinen Statutarstadt, wo eine kleine Partei wie die MFG der bürgerlichen Mitte extrem viel Stimmen weggenommen hat, was sie natürlich schockiert hat. Und dann war auch die Abstimmung im deutschen Bundestag, die auch indirekt von österreichischer Seite beeinflusst worden ist, wo das Vorhaben so etwas wie die Impfpflicht einzuführen, abgelehnt wurde. Also das war schon unsere Stärke als Bewegung, das würde ich auf jeden Fall so sehen. Das hat dann die Impfpflicht letztendlich zu Scheitern gebracht.
Zur Frage, ob viel zurückgerudert wurde: Ich glaube nicht, dass es so ist. Es gibt immer wieder Stimmen, die darauf beharren, dass alles ganz richtig gemacht wurde, weil es sonst viel mehr Opfer gegeben hätte. Aber abgesehen davon haben Sie sicher Recht, dass viele Leute, die damals in hohen Positionen gesessen sind, jetzt zurückrudern. Als Staatsbürger oder langjähriger Beobachter der Szene bin ich schon sehr skeptisch gegenüber jenen Leuten, die immer viel zu spät sagen, dass das, was eh schon viele Leute gewusst haben, jetzt richtig ist. Die könnte man als Wendehälse bezeichnen, sie haben nicht sehr viel Wert. Diese Leute müssten Konsequenzen ziehen, ihre Positionen aufgeben und sich zurückziehen. Anklage gegenüber solchen zu erheben, ist nicht mein vordergründiges Ziel. Aber das ist keine Aufarbeitung, wenn jetzt jemand erkennt, dass das, was vier oder fünf Jahre früher schon sehr viele Leute gewusst haben, eigentlich richtig war. Da schwingt auch eine gewisse Feigheit mit. Ein ganz ein blöder Vergleich: Nach jedem Krieg gibt es die Stimmen, die sich mehren, dass der Krieg schlecht war. Und im Krieg gibt es die Stimmen, die sagen, dass wir gewinnen müssen. Die Corona-Maßnahmen waren kein Krieg, aber sie waren eine kriegsähnliche Repression gegen das eigene Volk. Und insofern ist dieser Vergleich zwar hinkend, aber ganz außer Acht lassen kann man ihn auch nicht.
Die Rote Fahne: Dann komme ich jetzt noch einmal zur Frage der Verwertungskrise. Der Ausgangspunkt ist, dass es schon vor Corona eine ökonomische Krise gab. Im Ihrem Buch war in diesem Zusammenhang auch die Sprache von der Finanzkrise 2008/09. Und dass neue Sektoren gefördert werden sollten, um dieser Verwertungskrise zu begegnen. Heute, fünf Jahre später, würden Sie sagen, dass diese Pläne aufgegangen sind?
Hannes Hofbauer: Sie haben das Richtige angesprochen, denn 2008 – die große Wirtschaftskrise – war sicher eine Zäsur, mit der verwertungsorientiertes Kapital, und nur ein solches gibt es, zu kämpfen hatte. Und der Staat hat ihnen dann unter die Arme gegriffen. Also sowohl direkt, wie den Banken, als auch mittelfristig mit diesen corona-keynesianischen Maßnahmen. Und natürlich hat das funktioniert für die großen Konzerne, die in diesen Bereichen tätig waren, also die Kontrollindustrie, oder die bereits genannten – Biotech, Pharma usw. Aber wie man jetzt sieht, hat der Staat seinen Keynesianismus nicht aufgegeben und schiebt maßlos Geld in die Rüstungsindustrie. Das ist immer noch die selbe Ideologie, bzw. die selbe Geschichte: Dass Verwertung staatlich angeschoben werden muss. Das war immer so. Es gibt keinen Kapitalismus ohne Staat. Aber in den 70er, 80er, 90er Jahren war der Staat eher zurückgedrängt und mit der Krise 2008 und danach ist er auf den Plan getreten und hat viel Geld mobilisiert, um dem Kapital Hilfestellungen zu geben. Das ist natürlich gleichzeitig eine schlechte Botschaft für die einfachen Menschen, weil denen werden entsprechend die Sozialleistungen gekürzt, wie man es auch jetzt erlebt.
Die Rote Fahne: Sie und ihre Kollegen vom Promedia Verlag waren nicht unbedeutend für die kritische Analyse und Auseinandersetzung zu verschiedenen politischen Maßnahmen und Folgen in Bezug auf das Corona-Maßnahmenprogramm der Herrschenden. Sie brachten 2020 das vorher erwähnte Buch „Lockdown 2020“, im Jahr 2021 das Buch „Herrschaft der Angst“ und 2022 das Buch „Zensur“ heraus. Die Corona-Zeit war eine Zeit scharfer antidemokratischer Maßnahmen, Demonstrationsverboten, Zensur, Kündigungen aufgrund von kritischer Haltung zu Corona, Berufsverboten, Repression, etc… Hatten auch Sie mit Angriffen, Diffamierungen und Verleumdung zu kämpfen?
Hannes Hofbauer: Ja, aber nicht in dem Ausmaß, dass es existenzbedrohend gewesen wäre. In den Medien hat man alle diese Bücher, die Sie angesprochen haben, totgeschwiegen oder als verschwörungstheoretisch oder „schwurblerisch“ diffamiert. Einzelne Autorinnen und Autoren aus diesen Büchern wurden irrsinnig schlecht behandelt. Zum Beispiel die Autorin Andrea Komlosy, die auf der Uni eine sehr gut besuchte – allerdings digital besuchte – Vorlesungsreihe zum Thema Corona aus transdisziplinärer Sicht gemacht hat. Bei dieser Vorlesungsreihe haben tausend Studentinnen und Studenten zugehört. Ich erwähne das, weil sie auch bei dem Buch „Lockdown 2020“ mitgeschrieben hat. Damals haben das Institut und die Studentenbewegung nicht nur gegen diese Vorlesungsreihe Stimmung gemacht, sondern auch konkret gefordert, dass sie verboten werden muss. Aber in diesem Fall war die oberste Instanz der Universität, das Rektorat, so klug zu sagen: Für habilitierte Menschen gibt es die Freiheit der Lehre und wir sind zwar dagegen, aber wir können es nicht verbieten. Repression hat es in anderen Bereichen und bei anderen Personen auch gegeben. Wir kennen viele davon, z.B. Andreas Sönnichsen oder Christian Schubert, … besonders Sönnichsen hat repressive Maßnahmen erlitten, indem er sogar von der medizinischen Universität hinausgeschmissen wurde. Aber zurück zu meinem Verlag: Wir haben in dieser Zeit gut Bücher verkauft und gute Jahre gehabt, weil die Nachfrage groß war. Aber wir haben auch mit dem gekämpft, was kritische linke Stimmen oft erleben, dass man in Mainstream-Medien diffamiert oder totgeschwiegen wird.
Die Rote Fahne: Sie waren einer der Mitgründer der 2021 ins Leben gerufenen Initiative „Demokratie und Grundrechte“. Diese Initiative wurde zu einem wichtigen Sammelpunkt von demokratischen und links-gerichteten Personen und Kräften, die zahlreiche Kundgebungen und auch Symposien organisierte. Wie kam es zu dieser Initiative und was ist ihr Ziel?
Hannes Hofbauer: Am 1. Mai 2020, das war der erste Tag nach dem Lockdown, haben sich ein paar Leute vor dem Rathaus getroffen. Es gab dort eine Kundgebung, weil die Sozialdemokraten sind an diesem Tag nicht aufgetaucht. Eine kleine linke Gruppe hat dort eine Kundgebung gemacht. Da bin ich hingegangen und dort haben sich Leute getroffen und darüber gesprochen, was man machen kann. Eine wesentliche Person war hier Udo Preis von Respekt, eine kurz zuvor gegründete coronamaßnahmen-kritische Gruppe, die allerdings ein richtiger Verein ist. Wir von Demokratie und Grundrechte verstehen uns eigentlich als loser Zusammenschluss von Einzelpersonen. Daraufhin haben wir Leute um uns versammelt und haben einen Platz gefunden in der Heumühle in Wien, das ist die ältesteerhaltene spätmittelalterliche Mühle. Dort wurden wir von dem Möbelhändler, der diese Heumühle als Lager und Ausstellungsraum benützt, anerkannt, als kleine Gruppe, die sich dort treffen kann. Denn man durfte ja in kein Lokal gehen, die waren ja wegen dem Lockdown und den G-Regeln geschlossen. Dort haben wir uns häufig getroffen und dann begonnen, Kundgebungen zu machen, meist am Platz der Menschenrechte, im Großen und Ganzen unter Losungen wie „Demokratie und Grundrechte“. Ganz speziell dann natürlich gegen die angekündigte Impfpflicht. Zu den großen Demonstrationen verhielten wir uns so, dass wir zuerst eine Kundgebung am Platz der Menschenrechte machten, mit rund 200-400 Leuten, und uns dann der großen Demonstration angeschlossen haben. Und da hat es dann oft Stimmen gegeben, die sagten wir würden mit den „Nazis“ gehen, sprich mit der FPÖ, die dort auch gegangen ist. Da war keine Brandmauer zwischen uns, obwohl wir mit der FPÖ gar nichts zu tun haben, im Gegenteil, ich finde die FPÖ abzulehnen und bin weit weg davon. Aber in dieser konkreten Frage war klar, dass man gemeinsam marschiert. Es sind ja auf diesen Großdemonstrationen irrsinnig viele mitgegangen, die sich politisch überhaupt nicht geäußert haben, die einfach betroffen waren.
Die Rote Fahne: Wir haben schon vorher über die Haltung mancher Linker gesprochen, die sich nicht gegen antidemokratische Maßnahmen gestellt haben, oder die repressive Politik befürworteten. Das sehen wir auch in anderen Fragen, wie der Zensur und Meinungsfreiheit, der Kriegspolitik in der Ukraine, oder auch in der Frage der Migration. Welche Haltung braucht es heute von Linken und Kapitalismus-Gegnern?
Hannes Hofbauer: Das sind viele Themen. Über die Frage von Corona haben wir schon gesprochen. Bei vielen gab es das Missverständnis, dass sie glaubten, es ginge um Gesundheit und der Staat tätigt Gesundheitsmaßnahmen und deshalb waren sie dafür. Ich selber hatte einen Freund, mit dem ich zusammen das linke Zweimonatsmagazin „LunaPark21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie“ in Deutschland gemacht habe. Und dieser Winfried Wolf, der dort Chefredakteur war und langjähriger Bundestagsabgeordneter der Linken, der war Initiator der Initiative Zero Covid. Da kann man sich vorstellen, dass es da ziemlich gebröselt hat. Auch bei dem Thema Migration finde ich ist das leicht erklärt: viele Linke verwechseln das, was die Migration bewirkt und das, was der Migrant oder die Migrantin erleidet. Der Migrant ist das Opfer dieser Politik. Aber die Migration wird hauptsächlich betrieben von jenen Pull-Faktoren, von größeren Konzernen und Unternehmungen, die ständig den Nachzug billiger Arbeitskräfte aus dem globalen Süden oder zum Beispiel aus Bosnien, Bulgarien, Serbien, betreiben. Die Migration ist kritikwürdig und der Migrant ist das Opfer. Die Rechte macht den Migranten zum Täter. Das ist abscheulich. In Deutschland hat man das gesehen, mit der Abspaltung der Wagenknecht-Gruppe, die sehr stark mit diesem Thema zu tun hatte. Die haben eben erkannt, dass Migration ein Problem darstellt und dass man sich als Linker dementsprechend dazu äußern muss.
Und das letzte angesprochene Thema: Krieg. Da wird es für mich unverständlich, warum man als kritischer Mensch nicht alles in Bewegung setzten muss, um Krieg zu verhindern. Ich unterstelle der Linken im Großen und Ganzen überhaupt nicht, dass sie für den Krieg ist, nicht einmal die Sozialdemokratie. Aber sie tun zu wenig, um friedenspolitische, diplomatische Initiativen zu ergreifen. Und vor allem auch das, worauf die Sozialdemokratie schon vor 110 Jahren reingefallen ist: Auf eine russophobe Propaganda. Wobei ich überhaupt nicht sage, dass Putin hier rechtmäßig gehandelt hat, denn es war ein völkerrechtswidriger Angriff auf die Ukraine. Aber wir haben viele völkerrechtswidrige Angriffe auf Länder in den letzten Jahren und Jahrzehnten erlebt, wie in Jugoslawien, dem Irak,… Aber man muss trotzdem mit Russland verhandelt. Und wenn man sich das EU-Personal anschaut, insbesondere die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas, dann ist das das schrecklichste Personal, das dafür ausgewählt wurde, um in Zukunft irgendwann in einen Friedensprozess einzutreten. Natürlich gab es auch in der Linken jene, die für Waffenlieferungen waren, wie der Ministerpräsident Thüringens Bodo Ramelow von der Linken, aber die Mehrheit ist dagegen, sie sind nur meist zu wenig laut.
Die Rote Fahne: Das nächste Symposion der Initiative Demokratie und Grundrechte findet am 4. April unter dem Titel „Von der eingeschränkten Demokratie zur vielfältigen Kriegsführung“ statt. Auch wir, die Rote Fahne, unterstützen dieses Symposion. Dass demokratische Rechte eingeschränkt werden, bedeutet auch immer, dass sich jene in politischer Macht, gegen Widerstand und Kritik rüsten. Welchen Zusammenhang sehen Sie in der Politik der Kriegshetze und Aufrüstung mit dem Abbau von demokratischen Rechten und sozialem Kahlschlag. Ist das die „neue Normalität“ und die neue Regierung Fortsetzer ihrer Implementierung?
Hannes Hofbauer: Der Zusammenhang zwischen Kriegseuphorie, Kriegshetze, Kriegswirtschaft und sozialem Kahlschlag liegt auf der Hand. Wenn man in der EU 800 Milliarden Euro aufstellen will, um Kredite für die einzelnen Nationalstaaten zu ermöglichen, dann fehlt dieses Geld woanders. 150 Milliarden davon sind es, glaube ich, nur um Waffen zu kaufen. Egal wo es dann fehlen wird, aber vor allem wird es natürlich den Sozialbereich betreffen. Das ist sehr einfach erklärt. Mit unserer neuen Koalition in Österreich haben wir jetzt eine Kaja Kallas ähnliche Figur als Außenministerin. Vor allem die NEOS sind offen und lautstark gegen die österreichische Neutralität. Und in dieser Situation, in der wir uns jetzt befinden, ist eigentlich die Neutralität das Letzte, was uns noch ein bisschen davor rettet, vollständig in diese Kriegseuphorie einzutreten. Und wenn man jetzt so eine Person als Außenministerin hat, dann ist das ein schreckliches Zeichen. Wenn die erste Auslandsreise, außerhalb der EU, in die Ukraine geht, ist es auch nicht unbedingt ein Zeichen der Neutralität, weil die Ukraine im Krieg mit Russland ist und wir nicht im Krieg mit Russland sind. Es ist eigentlich niemand im Krieg mit Russland außer die Ukraine und in den Medien und in den politischen Chefetagen tut man so, als ob wir es wären. Das noch zu befördern, gleich am ersten Tag, ist ein schlimmes Signal. Eine der wesentlichen Fragen wird sein, ob man die Reste der österreichischen Neutralität, die eh schon hundertmal untergraben ist, begonnen durch den EU-Beitritt und dann durch den Amsterdamer Vertrag etc., retten kann oder nicht. Derzeit schaut es schlecht aus. Auch weil man in der Spitze der Sozialdemokratie Menschen hat, die das nicht interessiert. Bruno Kreisky hat in den 80er-Jahren davor gewarnt, den Außenminister ja nicht der ÖVP zu überlassen. Und dann wurde Alois Mock Außenminister und hat zwei Jahre später diese serbophobische Politik im Zerfallsprozess in Jugoslawien eingesetzt und sich sehr stark auf die kroatisch-nationalistische Seite geschlagen, in der KSZE und in verschiedenen anderen internationalen Organisationen, was den Nimbus des neutralen Staates Österreich beschädigt hat.
Die Rote Fahne: Könnten Sie noch einmal auf die Verbindung einer Politik der Kriegshetze und Aufrüstung und dem Abbau demokratischer Rechte eingehen, was auch ein wesentlicher Teil des kommenden Symposions sein wird.
Hannes Hofbauer: Das hängt natürlich auch zusammen. Wenn ich mich im vermeintlichen Krieg mit irgendeinem vermeintlichen Feind befinde, dann muss ich schauen, dass dieser Feind hier bei uns, an der „Heimatfront“, keine Stimme hat. Sei es direkt, das heißt man verbietet dessen Sender und Medien, oder auch indirekt. Das ist ja auch passiert, in Deutschland wurden russischen Sender und Medien schon vor dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine verboten. Und die EU hat das dann zwei Tage danach gemacht, dass sie RT und alle anderen verboten haben. Österreich legte im April 2023 sogar noch nach und weitete das aus auf die Weitergabe von Links aus russischen Medien gegenüber anderen. Wobei unklar ist, ob das nun kommerziell gemeint ist oder privat. Mit ist nicht bekannt, dass es dazu Schuldsprüche gibt. Repression und Zensur werden ausgeweitet auf Leute, die hier leben und kritische Stimmen erheben gegen die Kriegspolitik, gegen Rüstungswahnsinn, gegen das, was jetzt die EU macht mit ihren Kriegskrediten. Wenn man jetzt nicht heftig dagegen argumentiert oder zukünftig vielleicht auch nur leise dagegen argumentiert, fällt zuerst der Zensurhammer. Und später, wenn das nichts nutzt, werden wahrscheinlich auch härtere Maßnahmen, wie Wegsperren oder anderes, angewendet werden. Und dagegen muss man kämpfen – von Anfang an! Und das tun wir!
Die Rote Fahne: Danke für das Interview!
Comments