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Clemens Arvay

Evidenzen gegen die Impfpflicht

Aktualisiert: 19. Jan. 2022

Clemens Arvay ist Biologe, Sachbuchautor und Doktorand im Fach Biologie mit dem Schwerpunkt ökologische Immunologie. Für Die Rote Fahne schreibt er Gastkommentare zu den Themen Gesundheitsgerechtigkeit und Konzernkritik. Der Autor und Die Rote Fahne sind voneinander unabhängig.


Sowohl der österreichische Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein als auch sein deutscher Kollege Karl Lauterbacht drängen auf eine allgemeine Corona-Impfpflicht. Dabei werden wissenschaftliche Erkenntnisse, die eindeutig gegen die Einführung einer Verpflichtung zur Impfung sprechen, vehement ignoriert. Es wird immer klarer, dass die aktuell zugelassenen Impfstoffe keineswegs das Ende der Pandemie herbeiführen können, da sie die Infektionskette nicht unterbrechen und sogar die Gefahr einer verdeckten Virusausbreitung erhöhen könnten. Auch ist es bereits bewiesen, dass geimpfte Menschen, die sich mit COVID-19 infizieren, dieselbe Viruslast in ihrem Nasenrachensekret aufweisen und nach jüngsten Erkenntnissen auch genauso lang ansteckend sind wie ungeimpfte Menschen. In diesem Gastkommentar begründe ich mit Evidenzen, warum ein sachlicher und entschiedener Widerstand gegen die Pläne zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht jetzt unbedingt nötig ist. Die Entscheidung für oder gegen eine Corona-Impfung muss weiterhin frei bleiben.


Wann eine Impfpflicht diskussionswürdig wäre


Anlässlich der ersten Identifizierung der Omikron-Variante von SARS-CoV-2 im November 2021 mutmaßte der Radiologe und Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, der eine allgemeine Impfpflicht befürwortet, dass sich COVID-19 noch zu einer Krankheit entwickeln könnte, die »so infektiös wie Delta und so gefährlich wie Ebola ist«. Es sei daher nötig, die Welt noch jahrelang zu impfen, um die Entstehung weiterer Varianten zu verhindern. (1) Beide Aussagen sind wissenschaftlich nicht haltbar.


Erstens ist die Omikron-Variante keineswegs ein Vorbote von Ebola. Inzwischen ist klar, was von Anfang an aufgrund früher Daten aus Südafrika mit guten Gründen vermutet werden konnte: Die Mutation ist zwar ansteckender als die Delta-Variante, führt aber deutlich seltener zu einem schweren Infektionsverlauf. (2) Das liegt unter anderem daran, dass der Erreger die Lunge nicht infiltriert. Eine experimentelle Studie, deren Ergebnisse seit dem 29. Dezember 2021 als Vorveröffentlichung in Nature nachgelesen werden können, hat ergeben, dass die Omikron-Mutation die Zellen der Lungenschleimhaut nicht im selben Ausmaß wie Delta infiziert, weil die Fähigkeit des Virus nachgelassen hat, an bestimmte Rezeptorproteine der Lungenzellen anzudocken. (3) Die neue Variante vermehrt sich stattdessen stärker in den oberen Atemwegen, was auch der Grund für ihre schnellere Verbreitung ist. Denn dadurch ist die Virenlast im Nasensekret höher als bei der Deltavariante.


Die Gefahr, mit einer Omikron-Infektion ins Krankenhaus zu müssen, ist im Vergleich zur Delta-Infektion laut einer aktuellen Studie aus Schottland auf ein Drittel reduziert. (4) Allerdings verbreitet sich die neue Variante nach ersten Modellrechnungen möglicherweise auch drei bis vier Mal so schnell wie Delta. (5) Diese Entwicklung entspricht den Erkenntnissen der evolutionären Medizin, wonach sich Atemwegserkrankungen im Vergleich zu anderen Infektionskrankheiten rascher an den Menschen anpassen und dabei immer weniger gefährlich, aber infektiöser werden. Frank Ulrich Montgomerys Behauptung, SARS-CoV-2 könnte so gefährlich wie Ebola werden, widerspricht allen evolutionsbiologischen Erkenntnissen über Atemwegsinfektionen.


Hätte Montgomery mit seinem haarsträubend unwissenschaftlichen Ebola-Vergleich Recht oder wäre COVID-19 auch nur annähernd so gefährlich wie diese fatale Infektionskrankheit, bräuchten wir unbedingt eine verpflichtende Impfung für alle Menschen von jung bis alt. Wir sind aber weit von einer derartigen Gefahr entfernt. COVID-19 ist vor allem für Risikogruppen ab einem gewissen Alter gefährlich. Das Durchschnittsalter der an Corona Verstorbenen liegt je nach Quelle zwischen 72 und über 80 Jahren.


Ein weiteres Argument für eine allgemeine Impfpflicht wäre, wenn man diese RisikopatientInnen durch eine Impfung aller Altersgruppen schützen könnte. Bei einem Impfstoff, der zu einer Herdenimmunität führt und die Infektionskette unterbricht, sodass geimpfte Menschen auch andere nicht mehr infizieren, könnte dieses soziale Argument im Diskurs berücksichtigt werden. Denn ein solcher Impfstoff würde indirekt auch Personen schützen, die sich selbst nicht impfen lassen können oder in eine Risikogruppe gehören. Sehen wir uns genauer an, inwiefern ein solches soziales Argument im Bezug auf die COVID-19-Impfstoffe gültig sein könnte.


Impfung aus Solidarität?


Im Juli 2021 gab der deutsche Virologe Hendrick Streeck im Zusammenhang mit den zugelassenen COVID-19-Vakzinen bekannt: »Wir erreichen mit diesen Impfstoffen keine Herdenimmunität.« (6) Damit war er einer der ersten VirologInnen, die dieses Faktum öffentlich mit breiter Reichweite deutlich aussprachen. Streeck informierte die Öffentlichkeit damals darüber, dass man den COVID-19-Erreger »bei immer mehr Geimpften im Rachen nachweisen« könne.


Diese Information war bereits zum damaligen Zeitpunkt nicht neu. Schon im September 2020 berichtete ich in meinem Buch Wir können es besser über präklinische Versuche mit den Corona-Impfstoffen, in denen das Virus bei geimpften Affen im Nasenrachensekret ebenso nachgewiesen werden konnte wie bei ihren ungeimpften Artgenossen. (7) Damals lagen schon genügend wissenschaftliche Evidenzen vor, um daran zu zweifeln, dass einer der Impfstoffe in der Lage sein wird, eine sterile Immunität zu gewährleisten. Darunter versteht man eine Unterbrechung der Infektionskette, also dass man als geimpfter Mensch nicht nur persönlich von einem schweren Verlauf besser geschützt ist, sondern das Virus auch nicht weitergeben kann.


Die Gründe für die berechtigten Zweifel an der sterilen Immunität legte ich ein weiteres Mal ausführlich im Februar 2021 in meinem Buch Corona-Impfstoffe: Rettung oder Risiko? Vor. (8) Eines meiner Videos, in dem ich Studien behandelte, die beweisen, dass auch unsere geimpften Mitmenschen ansteckend sein können, wurde von YouTube ohne mein Einverständnis gelöscht. Beispielsweise stellte eine am 6. August 2021 erschienene Publikation der amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention, die ich in dem gelöschten Video vorstellte, die Ergebnisse einer Kohortenstudie dar, für die ein COVID-19-Ausbruch in Massachusetts aus dem Juli untersucht wurde. 74 Prozent der Infizierten waren doppelt geimpft. Damit betraf der überwiegende Teil der Infektionen bei diesem Ausbruch geimpfte Mitmenschen. In ihrem Nasenrachensekret wurde mittels PCR-Tests außerdem eine genauso hohe Virenlast wie bei den ungeimpften Infizierten nachgewiesen. (9) Zur selben Zeit wies eine Studie aus Wisconsin bei Infizierten, die zum damaligen Zeitpunkt doppelt geimpft waren, im Nasenrachensekret vergleichbare infektiöse Virenmengen der Deltavariante wie bei ungeimpften Infizierten nach. (10)


Anstatt die Menschen aufgrund solcher Studienerkenntnisse umgehend über die Medien zu warnen und darüber zu informieren, dass sie den Erreger auch nach der Impfung an andere weitergeben können – auch bei milden Symptomen und sogar bei einer unbemerkt vorliegenden Infektion – wurden diese Erkenntnisse heruntergespielt. Es brach ein nicht zielführender Diskurs darüber aus, ob geimpfte Menschen ein paar Tage kürzer ansteckend sind als ungeimpfte. Mittlerweile hat eine aktuelle, als Vorveröffentlichung verfügbare Studie, die einen Corona-Ausbruch unter Häftlingen untersucht hat, bewiesen, dass es keinen Unterschied zwischen der Dauer der Infektiosität der geimpften im Vergleich zu ungeimpften Mitmenschen gibt. Die AutorInnen dieser Studie kommen zu dem Schluss: »Mit zunehmenden Erkenntnissen sollte das Gesundheitswesen berücksichtigen, dass geimpfte Personen, die sich mit SARS-CoV-2 anstecken, um nichts weniger infektiös als ungeimpfte Personen sind. Diese Ergebnisse sind ausgesprochen wichtig, vor allem im Sozialleben, wo die Übertragung des Virus zu weitreichenden Ausbrüchen führen kann.« (11)


Am 15. September 2021 sagte der Virologe Alexander Kekulé in einem Medieninterview: »Die Menschen, die geimpft oder genesen sind, glauben, sie wären sicher, weil man ihnen das bis vor Kurzem auch gesagt hat. Sie gehen auf Partys, wo es keine Obergrenzen gibt. Sie treffen sich ohne Masken und Abstände. Es gibt keine Nachverfolgung und diese Menschen werden auch nicht mehr getestet. Das war ja Teil der Strategie, dass man ihnen versprochen hat, dass sie das bekommen, wenn sie sich impfen lassen. Das Problem ist nur, dass das Virus da nicht ganz mitspielt.« Laut Kekulé habe sich aus diesem Grund eine »unsichtbare Welle« der viralen Ausbreitung entwickelt. (12)


Der Epidemiologe und Universitätsprofessor Gili-Regev Yochay wirkte an einer groß angelegten aktuellen Studie in Israel mit, in der die Wirkung einer vierten Impfung (sic!) gegen Omikron untersucht wurde. Dabei habe sich zwar eine Antikörper-Antwort gezeigt, diese sei aber nicht ausreichend, um die mRNA-Impfstoffe als wirksam zum Schutz der Bevölkerung gegen die Omikron-Variante zu beurteilen. Zwar sei die Konzentration der Antikörper eine Woche nach der vierten Impfung im Vergleich zu davor auf das Fünffache angestiegen, danach aber rasch wieder abgefallen. Der Professor kommentierte diese Erkenntnis folgendermaßen: »Es würde bedeuten, dass wir die Impfung alle vier Monate wiederholen müssten, und das wäre nicht zielführend.« (13)


Eine ähnliche Position vertritt auch Andreas Gassen, der Chef der deutschen Kassenärztlichen Bundesvereinigung: »Man kann den Leuten nicht ernsthaft eine Impfpflicht auferlegen und dann feststellen, dass die Wirkung des Impfstoffes immer nur ein paar Monate hält«. (14)


Hinzukommt, dass es bei diesen Überlegungen um den individuellen Schutz vor schweren Verläufen geht. Einen Schutz anderer durch eine Unterbrechung der Infektionskette können die zugelassenen Impfstoffe, wie oben ausgeführt, ohnehin nicht ermöglichen.


Fazit


Die aktuell zugelassenen Impfstoffe mögen die Gefahr eines schweren Verlaufs für einige Zeit nach der Impfung bei der geimpften Person zwar abschwächen, jedoch verlieren sie rasch ihre Wirkung. Da sie spätestens seit der Deltavariante und insbesondere bei der Omikron-Mutation die Infektionskette nicht unterbrechen und für den Infektionsschutz vulnerabler Personen im Rahmen einer kollektiven Immunität ungeeignet sind, hätte ihre verpflichtende Verabreichung an die gesamte Bevölkerung keinen nennenswerten Mehrwert. Ein soziales Argument durch den Schutz anderer lässt sich aus diesem Wirkungsprofil nicht ableiten. Ebenso wenig können weitere Mutationen durch Impfstoffe, die keine sterile Immunität bewirken, verhindert werden.


Die Idee, Menschen aller Altersgruppen außer Kinder per Gesetz zur Impfung zu verpflichten, ist aus wissenschaftlicher Sicht scharf abzulehnen. Im Sinne einer gesunden Demokratie ist jetzt sachlicher, aber entschiedener Widerstand gegen die Pläne des österreichischen und deutschen Gesundheitsministers angebracht. Diesem Widerstand sollten sich auch JuristInnen und WissenschaftlerInnen anschließen. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung muss nach individueller Nutzenabwägung weiterhin frei bleiben.



Quellen:

(1) Weltärztebund-Chef: Sorge vor Corona-Virusvariante, die „so gefährlich wie Ebola“ ist, Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 27.11.2021, https://www.rnd.de/gesundheit/corona-variante-omikron-weltaerztebund-chef-montgomery-warnt-vor-noch-gefaehrlicheren-mutationen-UXWDILJ4UUAFIJ3KRWJYOQN2MY.html

(2) Wolter N. und Mitarbeiter, Early assessment of the clinical severity of the SARS-CoV-2 Omicron variant in South Africa, Vorveröffentlichung, MedRXiv vom 21.12.2021, DOI 10.1101/2021.12.21.21268116, https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.12.21.21268116v1

(3) Diamond M. und Mitarbeiter, The SARS-CoV-2 B.1.1.529 Omicron virus causes attenuated infection and disease in mice and hamsters, Vorveröffentlichung, Nature Portfolio vom 29.12.2021, DOI 10.21203/rs.3.rs-1211792/v1, https://www.researchsquare.com/article/rs-1211792/v1

(4) Seikh A. und Mitarbeiter, Severity of Omicron variant of concern and vaccine effectiveness against symptomatic disease: national cohort with nested test negative design study in Scotland, Vorveröffentlichung, The University of Edinburg vom 22.12.2021, https://www.research.ed.ac.uk/en/publications/severity-of-omicron-variant-of-concern-and-vaccine-effectiveness-

(5) Corona-Pandemie: Die Virusvariante Omikron (B.1.1.529) im Überblick, Deutschlandfunk vom 05.01.2021, https://www.deutschlandfunk.de/omikron-neue-coronavirus-variante-b-1-1-529-100.html

(6) Virologe Streeck: Wir erreichen mit diesem Impfstoffen keine Herdenimmunität, Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 22.07.2021, online: www.rnd.de/gesundheit/virologe-hendrik-streeck-wir-erreichen-mit-diesen-impfstoffen-keine-herdenimmunitaet-42ZY777OCRFXBEVG5KJYGONI4I.html

(7) Arvay C., Wir können es besser: Wie Umweltzerstörung die Coronapandemie auslöste und warum ökologische Medizin unsere Rettung ist, S. 168, Quadriga / Bastei Lübbe, Köln, 2020.

(8) Arvay C., Corona-Impfstoffe: Rettung oder Risiko?, Quadriga / Bastei Lübbe, Köln, 2021.

(9) Brown C. M. und Mitarbeiter, Outbreak of SARS-CoV-2 infections, including COVID-19 vaccine breakthrough infections, associated with large public gatherings – Barnstable County, Massachusetts, Juli 2021, CDC Morbidity and Mortality Weekly Report vom 06.08.2021, online: www.cdc.gov/mmwr/volumes/70/wr/mm7031e2.htm

(10) Riemersma K. K., Shedding of infectious SARS-CoV-2 despite vaccination when the delta variant is prevalent – Wisconsin, July 2021 (Preprint), MedRXiv vom 11.08.2021, online: www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.07.31.21261387v3

(11) Englisches Originalzitat: »As this field continues to develop, clinicians and public health practitioners should consider vaccinated persons who become infected with SARS-CoV-2 to be no less infectious than unvaccinated persons. These findings are critically important, especially in congregate settings where viral transmission can lead to large outbreaks.« Salvatore P. P. und Mitarbeiter, Transmission potential of vaccinated and unvaccinated persons infected with the SARS-CoV-2 Delta variant in a federal prison, July—August 2021, MedRXiv vom 19.11.2021, DOI 10.1101/2021.11.12.21265796, https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.11.12.21265796v1

(12) Alexander Kekulé bei ntv - 2G ist Teil des Problems, nicht Teil der Lösung, ntv vom 15.11.2021, https://www.n-tv.de/panorama/2G-ist-Teil-des-Problems-nicht-Teil-der-Loesung-article22931834.html

(13) Englisches Originalzitat: »Then it means we will need to get vaccinated every four months, and that's not the goal.« Somfalvi A., Effects of 4th COVID shot are good, but not enough, Israeli health expert says, YNet vom 05.01.2022, https://www.ynetnews.com/health_science/article/b1qndzqnk

(14) COVID-19-Schutz: KBV-Chef Gassen ist gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht, Ärztezeitung vom 28.12.2021, online: www.aerztezeitung.de/Politik/KBV-Chef-Gassen-ist-gegen-eine-allgemeine-Corona-Impfpflicht-425693.html


1 Comment


swbernstein2
Jan 16, 2022

Mich würde auch interessieren inwieweit die Impfung Risikogruppen tatsächlich schützt. Es ist bekannt, dass Hochbetagte u.U. keinerlei Immunantwort aufbauen, für diese Menschen also nur die Nebenwirkungen Wirkung zeigen. Gerade aus Altenheimen wird immer mal berichtet, dass nach der Impfung Menschen verstorben sind. Das wird dann regelmäßig auf andere Erkrankungen geschoben. Ich könnte mir aber auch hier vorstellen, dass die Grunderkrankungen im Zusammenwirken mit der Impfung den Tod verursachen. Deshalb sollte auch eine Impfpflicht für Menschen ab einem gewissen Alter und Vorerkrankte nicht einfach so hingenommen werden.

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