Im Folgenden veröffentlichen wir ein Interview der Roten Fahne zu aktuellen Entwicklungen im Kampf um das Fortbestehen des autonomen feministischen Frauenzentrums in Wien, eines der ältesten noch bestehenden selbstverwalteten Frauenzentren in Europa:
Aus der autonomen Frauenbewegung der 70er und 80er Jahren hervorgegangen, besteht das FZ (Verein Kommunikationszentrum für Frauen, Lesben, Migrantinnen und Mädchen) nun bereits seit 45 Jahren, davon fast 42 Jahre in der Währinger Straße 59/Stiege 6. Die im Jahr 2019 von der Stadt angekündigte Sanierung des WUK-Gebäudes, in dem sich auch das FZ befindet, bot wohl eine „wunderbare Gelegenheit“ das Frauenzentrum aus den damals besetzten und seither genutzten Räumlichkeiten zu vertreiben. Im Folgenden berichtet eine Aktivistin über die aktuelle Lage und den Kampf um das Fortbestehen des autonomen Frauenzentrums.
Rote Fahne: Ihr führt die Auseinandersetzung um das Bestehen des FZ nun schon seit längerer Zeit. Könntet ihr kurz zusammenfassen, worum es bei der Auseinandersetzung geht und was die aktuellsten und wichtigsten Kampfpunkte sind?
Wesentlich ist derzeit, dass wir einerseits wieder in unsere Räumlichkeiten zurück können und daraus folgend der Weiterbestand des unbefristeten Nutzungsverhältnisses. Die Räumlichkeiten des FZ sind derzeit teilweise geräumt, weil eine Grundsanierung stattfindet. Eine Sanierung lehnen wir nicht grundsätzlich ab, finden sie teilweise sogar notwendig. Zum Beispiel weil es einen barrierefreien Zugang braucht.
Die Sanierung der Räumlichkeiten durch die Stadt Wien ist jetzt im FZ abgeschlossen, aber die Räume wurden dem WUK-Vorstand übergeben. Der hat sämtliche Schlösser austauschen lassen und alle Türen versperrt. Uns wurde mitgeteilt, wir bekommen die Räume nur, wenn wir einen Leihvertrag mit dem WUK-Vorstand unterschreiben. Den werden wir nicht unterschreiben, denn wir verstehen uns als eigenständige Nutzerinnen in einem unbefristeten Nutzungsverhältnis gegenüber der Stadt Wien. Wir sind bereit notwendige Vereinbarungen zwischen FZ und WUK im gemeinsamen Haus zu erarbeiten, aber nur solche zwischen zwei gleichwertigen Strukturen.
Durch den Leihvertrag soll das FZ aber dem WUK untergeordnet werden. Und der WUK-Vorstand verlangt hohe Kosten vom FZ, obwohl sie über 11 Millionen an Subventionen erhalten für die Betriebskosten des gesamten Gebäudes, für über 150 Angestellte im WUK und über arbeitsmarktpolitische WUK-Projekte in der Stadt. Seit der Besetzung des Gebäudes 1981 haben wir weder Miete noch Betriebskosten gezahlt. Das soll so bleiben, denn Räume sollen nicht nur durch Geld erreichbar sein, wie es im Kapitalismus üblich ist. Unsere politische Forderung ist, dass der Erhalt des Gebäudes und die Betriebskosten wie bisher von öffentlichen Geldern, zu denen wir alle beitragen, finanziert werden, so wie z.B. auch das Parlament, Theater, Schulen oder auch Fußballplätze finanziert werden. Deshalb heißt eine Parole „Für jeden Fußballplatz ein Frauenzentrum!“. Gerade in der Krise zeigt sich wie wichtig es ist, dass es politische Orte für Frauen gibt, die nicht an Geld gebunden sind.
Es war von Anfang an klar, dass die Sanierung dazu genutzt werden kann, uns aus den Räumen zu werfen. Die Stadt Wien hat gesagt, ‚arrangiert euch mit dem WUK‘. Der WUK-Vorstand hat nach Außen immer wieder gesagt: „Das FZ bleibt autonom.“ Aber nach Innen hin werden ganz andere Fakten gesetzt. Ich habe durch diese Kämpfe viel darüber gelernt, was neoliberale Politik bedeutet: im Schein der Öffentlichkeit auf Kompromiss und Toleranz tun und in Wirklichkeit alles zu bekämpfen was kritisch ist und nicht ins System passt.
Die Bedrohung gegenüber dem FZ hat schon vor drei Jahren begonnen. Der WUK-Vorstand hat 2020 – übrigens ohne unser Beisein und ohne unsere Zustimmung - einen Mietvertrag unterschrieben, in dem erstens unrichtigerweise steht, dass sie das gesamte Gebäude, in dem sich auch das FZ befindet, übernommen haben und zweitens, dass das FZ dem WUK unterstellt wird. Das FZ hat diesen Mietvertrag von Anfang an nicht anerkannt, weil er weder rechtlich noch politisch möglich ist. Rechtlich ist er nicht möglich, weil das FZ nie Mitglied vom oder Teil des WUK war. Politisch ist es nicht möglich, weil das FZ ein eigenständiger feministischer Frauenraum ist und sich nicht unterordnen lässt. Und so soll es auch bleiben!
Es ist ein politischer Skandal der Stadt Wien, die eine Enteignung von Frauenstrukturen vornimmt. Und es ist ein Skandal von Seiten des WUKs, das das mitträgt und vollzieht. Beides sind Angriffe auf autonome feministische Strukturen. Wir werden weder hinnehmen, dass die Stadt Wien einen autonomen Frauenraum zerstört, noch, dass das WUK einen autonome feministischen Frauenraum seinen Strukturen unterstellt und uns seine Bedingungen aufzwingt!
Rote Fahne: Das FZ besteht nun schon viele Jahrzehnte. Welche Bedeutung hat das Zentrum für Frauen und die Frauenbewegung heute?
Heute braucht es immer noch oder auch mehr denn je autonome Frauenräume, damit sich Frauen organisieren können. Wir kämpfen darum, dass das FZ als lebendiger, widerständiger öffentlicher Frauenraum präsent ist. Dass kulturelle Aktivitäten stattfinden können, dass diskutiert und organisiert wird.
Eine Frauenorganisierung ist auch heute brennend notwendig. Früher waren Frauen aus vielen Bereichen ausgeschlossen und in der Ehe strukturell dem Mann unterstellt. Heute dürfen Frauen formal alles, sind aber trotzdem strukturell ausgeschlossen und werden aufgrund sexistischer Strukturen zusätzlich diskriminiert und ausgebeutet. Es geht um eine strukturelle Frauenbefreiung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Das betrifft die Ökonomie genauso wie Lebensformen, Arbeitsverhältnisse, Sexualität, Stadtplanung, Gewalt… Es braucht eine autonome Frauenbewegung um strukturelle Veränderungen zu erkämpfen, für einen feministischen Systemwechsel von unten, und dafür sind solche Räume wesentlich. Es geht hier nicht einfach nur um ein nettes Zusammenkommen für Frauen. Respektvoll und solidarisch soll es sein, aber es geht auch darum Konflikte auszutragen, zu streiten, voneinander zu lernen, in eine gemeinsame Kraft hineinzugehen. Ich bin davon überzeugt: radikalfeminstische Politik geht an die Herzen des Systems – radikalfeministische Politik ist immer antipatriarchal und antikapitalistisch. Organisierung und Bewegung braucht Räume.
Rote Fahne: Seit 2019 gab es zahlreiche Aktionen gegen die Pläne des WUK-Vorstands und auch gegen die Stadt Wien. Ihr wart auf der Straße, habt schriftlichen Protest an den WUK-Vorstand und Zuständige der Stadt Wien gerichtet, seid in Versammlungen hineingegangen. Was waren eure letzten Aktionen?
Erst vor Kurzem haben wir gemeinsam mit Asyl in Not eine Kundgebung abgehalten. Asyl in Not ist im WUK aktiv und unterstützt geflüchtete Menschen solidarisch und juristisch gegen Abschiebungen. Asyl in Not ist bisher die einzige Gruppe im WUK, die sich offen weigert sich den neoliberalen und kommerzialisierten Strukturen des WUK-Vorstandes unterzuordnen und deren verlangte Verträge zu unterschreiben. Sie mussten jetzt wegen der Sanierung im Gebäude auch aus ihren Räume ausziehen. Sie bekamen nicht wie andere Gruppen im WUK Ersatzräume gestellt, sondern mussten diese selbst suchen. Sie erhielten auch kein schriftliches Rückkehrrecht zu den bisher bestehenden Bedingungen, wie sie es forderten. Die Kundgebung wurde unter dem Titel: „Kommerz raus aus dem WUK: Einzug statt Ausschluss. Solidarität mit Asyl in Not und FZ“ organisiert. Über 20 feministische und antirassistische, antikapitalistische und basisgewerkschaftliche Gruppen und um die hundert solidarische Menschen, davon viele Frauen, waren anwesend und haben in Beiträgen ihre Solidarität erklärt. Am 1. Mai waren wir mit einem Infotisch auf der Straße. Eine weitere wichtige Veranstaltung war das Solidaritätsfest für Asyl in Not und FZ am 15. Mai. Es gab inhaltliche Beiträge und Musik und war sehr gut besucht. Der nächste wichtige Termin ist ein Prozesstermin. Das FZ hat die Stadt Wien und den WUK-Vorstand jetzt wegen „Besitzstörung“, wie das juristisch heißt, geklagt. Der Prozess ist öffentlich und findet am 9.6. um 14h im Bezirksgericht Josefstadt statt (1). Wir freuen uns über zahlreiche Prozessbeobachterinnen und planen auch eine Kundgebung für solidarische Menschen vor dem Gericht.
Rote Fahne: Wie kann man das FZ solidarisch unterstützen?
Es gibt einen Online-Petition „FZ bleibt“ (2). Und es gibt einen Aufruf Protestmails zu schreiben an Zuständige der Stadt Wien und den WUK Vorstand (3). Zum Beispiel hat ein Betriebsrat vor kurzem ein Protestmail verfasst, unter anderem mit dem Argument, dass ein Großteil der Beschäftigten Frauen sind und viele von ihnen das FZ als einen wichtigen politischen Frauenort sehen und auch ins FZ gehen. Es gibt schon einige Solidaritätsschreiben von Einzelnen wie Marlene Streeruwitz, Rosa Logar und Eva Geber, vielen feministischen Strukturen, wie von der Frauenhetz, dem Notruf/Frauenberatung gegen sexuelle Gewalt oder der Informationsstelle gegen Gewalt des Autonome österreichische Frauenhäuser (AÖF). Es ist auch einfach wichtig, dass darüber diskutiert wird und dass sich die Frauenbewegung und Linke solidarisch verhalten. Es ist wichtig zu verstehen, dass so ein Angriff ein Angriff auf uns alle ist und die Präsenz selbstorganisierter feministischer Frauenräume für alle Frauen, sowie für die Frauenbewegung und die Linke wichtig sind. Wir freuen uns über jede Solidarität und Beteiligung bei weiteren öffentliche Aktionen, die es sicher geben wird!
(1) Der Link auf die Facebookveranstaltung für die Gerichtsverhandlung https://www.facebook.com/events/582770950508195?ref=newsfeed
(2) Petition zum Erhalt des FZ in seiner bisherigen Form: https://mein.aufstehn.at/petitions/fz-bleibt [2]
(3) Protestschreiben an den WUK-Vorstand und an die Stadt Wien an folgende Adressen:
Bürgermeister Michael Ludwig Michael.Ludwig@wien.gv.at
Stadträtin für Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen, Kathrin Gaál kathrin.gaal@gws.wien.gv.at
MA57 Frauen frauen@ma57.wien.gv.at
MA34 Bau- und Gebäudemanagment, Ing. Peter Kovacs peter.kovacs@wien.gv.at
MA7 Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, Veronica Kaup-Hasler
WUK-Vorstand Vorstand@wuk.at
WUK-Obfrau Margit Wolfsberger Margit.Wolfsberger@wuk.at
WUK-Geschäftsführer Vincent Abbrederis vincent.abbrederis@wuk.at
und schickt uns eine Kopie an: fzbleibt@riseup.net
Comments