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Korrespondenz aus den Wiener Linien: #TeamÖffiLiebe, #JobMitSinn?

Thomas F.

(Korrespondenz aus dem Betrieb)




Ich bin seit zirka einem Jahr bei den Wiener Linien als Tramwayfahrer tätig und bin immer mehr darüber verärgert, wie teilweise mit der Sicherheit der Fahrer und Fahrgäste umgegangen wird. Ein „#JobMitSinn“? Damit kann ich mich eigentlich nicht identifizieren. Natürlich ist es nicht total sinnlos für die Öffis zu arbeiten, man befördert schließlich die Leute zur Arbeit, in Schulen zu Freizeitaktivitäten usw. Ohne den Öffis würde in einer Großstadt vieles nicht funktionieren und die Wiener sind sehr stolz auf die guten Anbindungen, das dichte Verkehrsnetz und die „billige Jahreskarte“ womit sich das „Rote Wien“ auch gerne rühmt. Dass aber nicht immer alles ganz so glatt läuft, bekommen die Fahrgäste, die die Offis täglich nutzen immer häufiger zu spüren.


Betriebsstörungen, Verspätungen oder sogar gänzliche Ausfälle sind der Alltag. Das hat auch viele Gründe, denn Bus und Bim werden durch den Individualverkehr häufig durch Staus, Unfälle oder Falschparker an der Weiterfahrt gehindert. Die Transparenz über die Ursache einer Störung ist jedoch stark eingeschränkt. Da die Fahrpläne dermaßen eng getaktet sind und das Straßenbahnschienennetz in Wien besonders in den letzten Dekaden kaputtgespart wurde, gibt es einige Langsamfahrstellen die nicht an die Fahrpläne angepasst wurden. Kommt es dann zu einer Störung, ist das Chaos vorprogrammiert. Ein anderer Grund sind desolate Züge, deren Wartungen aus einem Minimum und nur dem Nötigsten besteht.


Meine schlimmste Erfahrung war als ein Antriebsstrang defekt war und ich nur mit halber Leistung weiterfahren konnte. In der betrieblichen Ausbildung wurde uns beigebracht, bei dieser Art von Störung die Nutzfahrt (mit Fahrgäste bis zur Haltestelle vor dem Bahnhof) zu beenden und zum Betriebsbahnhof zu fahren, um einen Tauschzug zu erhalten. Als ich die Leitstelle per Funk informierte, wurde mir gesagt, dass ich mit nur einem Antriebsstrang weiterfahren kann, die gesamte Runden beenden soll und in der Endhaltestelle einen Tauschzug bekomme. Ich hatte damals noch sehr wenig Erfahrung und die Situation überforderte mich ehrlich gesagt sehr. Durch die halbe Motorleistung fehlte auch die halbe Bremsleistung der generatorischen (elektromotorischen) Bremse. Mit gedrosselter Geschwindigkeit fuhr ich schweißgebadet, und das lag nicht an der kaum spürbaren Klimaanlage in der Fahrerkabine im Sommer (was ein zusätzlicher Faktor war), eine sehr hügelige Strecke zu Ende. Der Kollege aus der Werkstatt war verärgert über die Leitstelle, weil solche Fälle in den letzten Monaten häufig passierten. Grund für diese Praxis ist es Ausfälle von Zügen in Grenzen zu halten. Was meiner Meinung nach in dem Fall sinnlos war, da die Reststrecke der Linie, auf der ich fuhr, von zwei weiteren Linien befahren wird und zu der Tageszeit auch wenig los war. Auch die Sicherheitsfrage spielt bei solchen Störungen keine unwesentliche Rolle.


Im Zuge der Sparmaßnahmen wurde bei den alten Niederflurgarnituren (ULF) der Sand stark reduziert. Der ist bei schlechten Schienenzustand besonders wichtig, damit die Räder nicht ins Schleudern oder Gleiten kommen, er sorgt für die Reibung der Räder und erhöht die Bremskraft. Da der ULF einen speziellen, sehr teuren Quarzsand benötigt, haben die Wiener Linien das Befüllen des Sandes von vier auf zwei Behälter reduziert und den Werkstätten den Auftrag gegeben, die Sandfreigabe bei Betätigung der Taste „Sand“ zu drosseln. Die Folgen sind jede Menge Stress für die Fahrer, weil an schlechten Tagen die Behälter am Abend oft leer sind und man nicht überprüfen kann, ob sich ein Restbestand in den Behältern befindet. Ohne Sand dürften wir eigentlich nicht weiterfahren, weil es eine Sicherheitseinrichtung ist. Bei den Hochflurgarnituren ist es unsere Pflicht, die Behälter in jeder Endhaltestelle zu überprüfen und wenn nötig zu befüllen, tun wir das nicht gibt es sofort durch betriebseigene Kontrollorgane Abmahnungen. Was den meisten Kollegen und mich daran besonders ärgert ist, dass die gesamte  Verantwortung dadurch auf uns Fahrer abgeschoben wird, als ob wir nicht schon genug Verantwortung tragen würden. Der Satz vieler älterer Kollegen „Ois Tramwayfoara sitzt imma mit an Haxn im Häfn“ begleitet mich jeden Arbeitstag.


Würde man sich genausoviel auf die Sicherheit des eigenen Fahrpersonals und der Fahrgäste, die bessere Erhaltung der Infrastruktur und die Arbeitsrechte der Arbeiter konzentrieren, wie auf Kampagnen für „Political Correctness“ und politisch gelenkte Werbungen, wäre das für uns Fahrer schon eine große Verbesserung! 



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Was sind Korrespondenzen?

 

Korrespondenzen sind Beiträge aus verschiedenen Teilen der Bevölkerung, sozusagen ein direktes Sprachrohr aus dem Volk. Ihre Gemeinsamkeit ist, dass die jeweiligen Korrespondenten direkt aus ihrem alltäglichen Leben berichten: aus dem Betrieb, dem Viertel, der Familie, der Schule, usw… Als Presse aus dem Volk, drückt die revolutionäre und demokratische Presse nicht nur die Interessen des Großteils der Bevölkerung aus, sondern bindet deren Repräsentantinnen und Repräsentanten auch aktiv ein, gibt ihnen eine Stimme, präsentiert die verschiedenen Meinungen und Ideen aus den Massen um sie miteinander vergleichen zu können und in Diskussion treten zu lassen. Daher finden in der Roten Fahne die Arbeiterinnen und Arbeiter, Stimmen der Jugend- und Frauenbewegung, der Studierenden, der Gewerkschaftskräfte, der Migrantinnen und Migranten ebenso wie der kleinen Selbstständigen und Gewerbetreibenden, Stimmen aus Stadt und Land, eine Plattform und ein Organ. Die Korrespondenten sind keine Redaktionsmitglieder, weshalb sie auch nicht im engeren Sinne an die Blattlinie gebunden sind, sondern “ihre Stimme” zum Ausdruck bringen.

 

Wie kann man Korrespondent der Roten Fahne werden?

 

Möchtest du aus deinem Betrieb, dem Viertel, der Familie, oder Nachbarschaft berichten? Dann schreibe uns unter korrespondenz@rotefahne.at und schildere kurz warum du Korrespondent sein und worüber du berichten möchtest.


 

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