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Lieferando kündigt alle Boten und macht sie zu „freien Dienstnehmern“!

Petra G.



Mehrere hundert Fahrradboten werden in absehbarer Zeit ihren Job verlieren. Der gerechtfertigte Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping und der erkämpfte Kollektivvertrag werden damit durch Lieferando als Nichtig erklärt. Lieferando kündigt alle Angestelltenverhältnisse und stellt auf „freie Dienstverträge" um. Künftig sollen alle Fahrradboten ausschließlich auf eigenes Risiko und eigene Rechnung arbeiten. Wie viel „Freiheit“ ein „freier Dienstvertrag“ bringt, ist bekannt...


Dem bisherigen Kollektivvertrag unterlagen knapp 2.000 Boten in Österreich. Dieser lag nur haarscharf über der Armutsgrenze, aber es gab Urlaubsanspruch, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Zuschläge für Sonntagsarbeit und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Damit ist jetzt Schluß - Liefernado begründet die Umstellung damit, dass sie „gleiche Wettbewerbsbedingungen" bräuchten, verspricht den Kunden künftig längere Öffnungszeiten, zusätzliche Lieferzonen und einen effizienteren und flexibleren Service.


Bisher hatte Liefernado, anders als Foodora und Wolt, seine Boten in Österreich teilweise fix angestellt. Lieferando hat in Österreich einen Marktanteil von über 50 Prozent bei den Essenszustellservices und hängt über den globalen Mutterkonzern Delivery Hero mit Foodora zusammen. Delivery Hero zählt zu den weltweit führenden Unternehmen im Bereich der Essenslieferungen. Es wurde im Jahr 2011 als online-basiertes „Food-Delivery-Untermehmen" in Deutschland gegründet und ist heute in mehr als 40 Ländern mit über 307 konsolidierten Tochterunternehmen tätig. Während der Corona-Pandemie verzeichnete das Unternehmen ein rasantes Wachstum. Der Umsatz von Delivery Hero lag im Jahr 2023 bei rund 10,5 Milliarden Euro.



Absicherung vor künftigen Arbeitskämpfen?


Der Kollektivvertrag für Fahrradboten wurde erst vor fünf Jahren durch einen Arbeitskampf der Fahrradboten geschaffen. (wir berichteten: Fahrradboten: Arbeitskampf oder abgeputzt?

und Fahrradboten: Von KV-Verhandlungen zum Warnstreik) Dieser Arbeitskampf, der im Zuge der jährlichen KV-Verhandlungen geführt wurde, beinhaltete Betriebsversammlungen und Warnstreiks. Die Belegschaft kämpfte für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne, wurden jedoch seitens der Gewerkschaftsführung mehr als einmal im Regen stehen gelassen. Bei vergangenen KV-Verhandlungen betonte die Gewerkschaftsführung, dass die Regierung Schlupflöcher zulassen würde, die es Unternehmen ermöglicht, sich aus dem Kollektivvertrag zu stehlen. Oftmals gab es von Seiten der Boten Zweifel, ob es in der Gewerkschaftsführung ein wirkliches Interesse am Arbeitskampf gäbe, vor allem weil mangelhafte bis keinerlei Mobilisierung innerhalb der Belegschaft stattfand. Vielerorts standen bei angekündigten Betriebsversammlungen, Protestkundgebungen und Warnstreiks nur wenige Fahrradboten bereit und erfuhren dann, dass an jenem Ort gar nicht gestreikt wird.


Von Seiten der Gewerkschaft wird betont, es sei zu begrüßen, dass ein Sozialplan ausgearbeitet werden soll, dieser sieht bisher jedoch lediglich eine Abfertigung von eineinhalb Monatslöhnen vor. Kritisiert wird das Versagen der Politik, die es zulässt, dass sich Unternehmen aus bestehenden Kollektivverträgen stehlen und dadurch Lohnnebenkosten einsparen können. Die Aufgabe der Politik sei es Lohn- und Sozialdumping zu unterbinden.



KV-Verträge „nicht mehr als Altpapier"?


Trotz Rekordumsätzen tragen künftig allein die Boten sämtliche Risiken: Krankengeld erst ab dem vierten Tag, jedoch nur die Hälfte der Bemessungsgrundlage, kein Urlaubsgeld, kein Weihnachtsgeld, Sonntagszuschläge entfallen ebenso wie der gesetzliche Arbeitsschutz. Unfreiwillige Stehzeiten schmälern den Verdienst - ohne Aufträge gibt es keine Bezahlung. Die Boten sind rechtlich gesehen nicht mehr Teil des Betriebs, sie sind moderne Tagelöhner ohne Absicherung. Freie Dienstnehmer in der Logistik unterliegen mitunter den schlechtesten Arbeitsbedingungen. Der „freie Dienstvertrag“ ist mit Sicherheit einer der „unfreiesten“ innerhalb der Arbeitsverträge. Dass Unternehmen wie Lieferando in solcher Weise Schalten und Walten dürfen, ist alleine schon ein Angriff auf das Arbeitsrecht.


Die Herrschenden in Österreich gewähren es (internationalen) Monopolkonzernen, das Arbeitsrecht zu umgehen, Lohnraub und Lohndumping zu betreiben. Damit wird auch der Abbau sozialer und demokratischer Rechte der Bevölkerung gefördert und bereits errungene Arbeitsrechte ausgehöhlt. Ein solidarisch und konsequent geführter Arbeitskampf ist daher nicht nur ein Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und Löhne - es ist ein Kampf um soziale und demokratische Rechte, ein Kampf um bereits errungene Rechte zu verteidigen, zu festigen und auszuweiten. Ein Kampf gegen Imperialismus, Unterdrückung und Ausbeutung.

 



Quellen: derstandart.at, statista.com

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