Schon seit Wochen sorgt das Mega-Bauvorhaben am Froschberg für viel Wirbel und Ärger bei den Bewohnern. Ende Mai gab es bei Präsentationen nun die ersten offiziellen Informationen. Zuspruch zum Großprojekt gab es kaum, viele Sorgen und Ängste der Bewohner hingegen bestätigten sich.
Lokalaugenschein, wir waren vor Ort: Am Montag den 22. Mai um 17:30 war die erste von drei Infoveranstaltungen für die Bewohner der Eisenbahnersiedlung am Froschberg. Der Unmut war groß, wurden die Bewohner doch sehr vor den Kopf gestoßen: „Wir haben zunächst alles ausschließlich über die Medien erfahren. Erst danach kam einmal ein Brief wo wir für eine Infoveranstaltung rund um den 22. Mai eingeladen wurden. Dabei geht es da nicht um eine Kleinigkeit, sondern um ein Großprojekt, welches das ganze Viertel verändern würde. Viele Bewohner müssten im Zuge des Umbaus aus ihren Wohnungen ausziehen, selbst die wurden nicht benachrichtigt. Da fühlt man sich schon übergangen.“, meinte eine Bewohnerin verärgert.
„Sie wollen uns Sachen andrehen, die wir nicht brauchen“, das ist ein gewisser Konsens unter den Bewohnern. Gegen eine Sanierung hat niemand etwas, das würde begrüßt werden, doch „Innovationen“ wie eine Terrasse für alle, ein Kaffeehaus in den jetzigen Grünflächen bzw. Gärten, Radwege in einem Siedlungsgebiet, Gemeinschaftsküchen, Spielplätze statt den Gärten, ein Laubengang statt dem Stiegenhaus, die Schaffung eines „CoWorking Space“, oder versenkbare Müllsysteme stoßen auf Unverständnis. Zudem ist niemand erfreut über die gewaltige Verdichtung, die vorgesehen ist. Zu den bestehenden 438 Wohnungen sollen durch Aufstockungen und Neubauten 316 zusätzliche Wohnungen geschaffen werden. „Das ist keine Sanierung, das ist eine völlige Neugestaltung der Siedlung“, sind sich die Bewohner einig.
Ein Vertreter der „Wohnungsanlagen Gesellschaft m.b.H (WAG) argumentierte gegen eine „einfache“ Sanierung damit, dass es dann wohl eine Mietsteigerung geben müsse. Daher müsse man neu bauen. Dieser Argumentation konnte niemand so recht etwas abgewinnen, ist es doch offensichtlich reine Augenauswischerei. „Da geht es nur ums Geld“, war auch sehr häufig zu hören. Auch meinen manche, es sei ein Prestigeprojekt um das ganze Viertel nach dem Bau des neuen Stadions zu gentrifizieren. Die 438 Wohnungen um die es hier geht, die „Eisenbahnerwohungen“, sind gemeinnützige Wohnungen, bisher durch die EBS verwaltet, die heute ein Teil der WAG ist. Beide waren bis 2004 Bundeswohnbaugesellschaften, dann wurden sie (gemeinsam mit BUWOG und ESG Villach) an das Bieterkonsortium Raiffeisen Landesbank OÖ, Immofinanz, Wiener Städtische… das sogenannte „Österreich-Konsortium“ verkauf bzw. privatisiert. Insgesamt ging es dabei um 62.500 Wohnungen, wovon die EBS Linz 3.500 ausmachte. Damals hieß es, der soziale Mieterschutz sei in vollem Umfang gewährleistet und, dass die Wohnungen (auch bei Neumietern) den „strengen gesetzlichen Schutzbestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG)“ unterliegen würden. (1) „Wenn es heute heißt, wir als Mieter würden für eine Sanierung zahlen müssen, frage ich mich, was mit unseren Beiträgen der letzten Jahrzehnte passiert ist“, so ein Mieter, denn bis auf Kleinigkeiten liege die letzte Sanierung 20 bis 30 Jahre zurück.
Besonders verärgert sind die Bewohner über die massive Zerstörung der Grünflächen. Zwischen den Häusern gibt es heute große, alte Bäume, schöne Gärten, Grünflächen die gemeinschaftlich genutzte werden, vieles davon soll Neubauten weichen. Im oberen Teil der Siedlung, der Händelstraße, soll sogar die gesamte Gartenstruktur, die dort seit mehreren Jahrzehnten besteht, zerstört werden. Als Ersatz soll es eine „Terrasse für alle“ geben. Die Argumentation ist für die Bewohner unfassbar: „Sie meinen, sie wollen die Gärten gerecht verteilen, da jetzt nur „Ausgewählte“ einen hätten. Fakt ist aber, dass in den letzten 30 Jahren, seit wir unseren Garten betreiben, jeder der einen Garten wollte auch einen bekommen hat. Vielleicht gab es hin und wieder Streitereien, aber nichts was man sich nicht ausreden konnte.“ Statt den Gärten wird eine „Kellerwohnung“ eingezogen, deren Dach bildet dann die „Terrasse für alle“. „Und womit sie ihr ganzes Gerede von Gerechtigkeit selbst entwerten: die neue eingezogenen Wohnungen werden dann einen kleinen Eigengarten dabei haben, exklusiv sozusagen“.
Diese schöne Gartenlandschaft soll neuen Wohnungen und einer „Terrasse für alle“ weichen.
Die Neuplanung der Gartenlandschaft: Terrasse für alle, öffentlicher Garten
Auch der geplante Laubengang stößt auf Ärger und Unverständnis. Neben einem gewaltigen Einschnitt in die Privatsphäre, da die Gänge an der Fassade an Schlafzimmern, Küchen und Badezimmern vorbeiführen, ergeben sich noch eine ganze Reihe anderer Nachteile daraus. Bei den Informationsveranstaltungen fragten die Bewohner oftmals nach, was man sich dabei eigentlich gedacht hat. Die Antwort der WAG: Es sei billiger, als bei jedem Haus einen eigenen Lift zu bauen, denn ansonsten hätten wiederum die Bewohner höherer Mieten zu zahlen.
Laubengang, nach dem Plan der den Bewohnern diese Woche präsentiert wurde.
Auf die Fragen nach einer Steigerung der Mietkosten wurde gekonnt ausgewichen. Die Mieten selbst sollen nicht steigen und bei den Betriebskosten werde man versuchen den Mehraufwand so gering wie möglich zu halten und über die Neubauten abzufedern. Wie genau das jetzt aber aussehe, darüber könne man noch nichts sagen. Für die Bewohner steht aber fest: die Wartung des Laubenganges, der Gemeinschaftsräume, der Lifte, der zahlreichen neuen Wege und Stiegen, die Begrünung und Instandhaltung der „Terrasse für alle“ und der Spielplätze werden sich nicht von alleine finanzieren.
Zorn gibt es auch gegenüber den Vertretern der SPÖ. Dieses Viertel hat traditionell eine große SPÖ Wählerschaft, auch die derzeitige Vizebürgermeisterin Tina Blöchl lebt in der Siedlung. Vor ein paar Jahren, wie uns berichtet wurde, ging die SPÖ mit Schlagwörtern wie „lebenswert“ und „leistbar“, besonders in diesem Viertel auf Wahlkampf. Heute stehen sie hinter diesem Großprojekt. „Jene SPÖler die dagegen sind, werden von der eigenen Partei angefeindet, die anderen, unter den aktiven, haben scheinbar einen Maulkorb“, so die Einschätzung eines Bewohners. Von ÖVP und FPÖ erwarte man sich im allgemeinen nichts. Auch die FPÖ, die sich gerne „oppositionell“ gibt, hält sich hier zurück, ist sie doch Teil der Landesregierung. Über die Grünen herrscht auch großer Ärger: „Einerseits werden zum Weltbienentag, der gerade war, Fotos mit Fr. Schobesberger veröffentlicht, wo sie am neuen Rathaus Blumenkisterl gegen das Bienensterben aufstellt, aber die Gartenlandschaft hier, die auch Wildbienen und Erdbienen beheimatet, soll für eine modernes Prestigeprojekt weichen“, lernen wir im Gespräch mit einer Gartenbetreiberin. Die KPÖ äußert sich zwar kritisch, verweist aber dann darauf, dass es „super“ ist, dass hier über 1.000 neue Fahrradabstellplätze geschaffen werden.
„Fahrradabstellplätze sind nicht unser Problem, davon bekommen wir jetzt aber gleich 1.200. Dass wir massive Parkprobleme habe, erst recht mit dem Bau der neuen Raiffeisen Arena, wird weniger thematisiert“. Ein Bewohner rechnet vor: „Im Zuge des Umbaus werden etwa 60 Parkplätze wegkommen, weitere Parkplätze sollen voraussichtlich einem Fahrradweg in der Händelstraße (einer Siedlungsstraße!) weichen. Dann werden 316 neue Wohnungen gebaut. Die Parkgarage soll eine Kapazität von 400 Autos umfassen. Das löst keine Probleme.“
Die Linzer Stadtpolitik, allen voran SPÖ und Grüne, gibt sich gerne „klimafreundlich“. Geht es aber um Großprojekte wie hier, mit niemand Geringeren als der Raiffeisenbank im Hintergrund, ist schnell aufgeräumt mit den sogenannten „Klimazielen“. Kommt man im Sommer in diese Siedlung, so wurde uns berichtet, fällt die Temperatur zwischen den Häusern wo die großen Bäumen stehen gefühlt um ein paar Grad herunter. Bewohnern die nachfragten, wie es denn nun um den Umweltschutz stehe, wurde geantwortet: Man werde so wenig wie möglich neue Flächen versiegeln und so wenig wie möglich Bäume fällen.
„Das ganze Projekt zielt komplett an unseren Bedürfnissen vorbei. Wir haben heute wirklich schöne, gewachsene sogenannte ‚Begegnungszonen‘. Jene die sich treffen wollen, machen etwas gemeinsam und jene die das nicht machen wollen, eben nicht. Keiner wünscht sich eine Gemeinschaftsküche für etwa 100 Haushalte. Wir haben Wege in der Siedlung die schon von meiner Mutter vor 50 Jahren benutzt wurden, jetzt heißt es hier gibt es keine Durchwegung und alles wird umgebaut. Es soll ein sogenannter CoWorking Space errichtet werden. Kein Mensch braucht das hier! Wir haben kein Problem mit Fahrrädern, sollen aber 1.200 Plätze bekommen. Wir haben keinen Bedarf an neuen Spielplätzen, es gibt schon einen. Wir brauchen kein Kaffeehaus mitten in unseren Gärten und von einem versenkbaren Müllsystem ausgerechnet auf der Sonnenseite, wo im Sommer der Beton in der Nacht noch heiß ist, brauchen wir auch nicht. Für uns ist relevant, wo wir unsere Wäsche aufhängen sollen, wenn es keinen Garten und Dachboden mehr gibt. Die Architekten meinten in den Gemeinschaftsräumen, wo laut Plan einer für über 50 Haushalte entsteht.“ Die Liste an Rückmeldungen der Bewohner ließe sich noch lange erweitern. Unterm Strich bleibt, dass bis auf einzelne Gegenstimmen dieses Großprojekt vehement abgelehnt wird. Gegen Sanierungen hat keiner etwas, gegen manche Änderungen, die eine Verbesserung bringen auch nicht, aber dies ist offensichtlich nicht Zweck dieses Projektes.
Seit einiger Zeit kursieren Pläne in der Siedlung vom Architekturbüro mia2 Architektur ZT GmbH und EBS Wohnen. Es sind jene Pläne, die am 24.4.2023 dem Gestaltungsbeirat vorgelegt und bewilligt wurden. Auch wir durften einen Blick in diese Pläne werfen und stellen nachstehend noch ein paar Eindrücke zur Verfügung. Es sind die selben Pläne die nun bei den Infoveranstaltungen Auszugsweise präsentiert wurden. Warum so ein Geheimnis um diese Pläne gemacht wurde, lässt für die Bewohner nur einen Schluss zu: „Die mussten schon damit gerechnet haben, dass ihr Projekt auf Ablehnung stoßen wird“. Wie uns berichtet wurde, rückten weder die SPÖ, Grünen, noch die KPÖ-Vertreter, welche die Pläne hatten, damit heraus. Wo ist die viel beschworene Transparenz? Einmal mehr, nichts als leere Phrasen! Die Angst davor, dass sich die Bewohner zusammenschließen und gegen dieses Vorhaben selbst organisieren schien wohl zu groß. Doch wurden die Froschberger da sehr unterschätzt.
Anfang Mai, nachdem das Bauvorhaben bekannt wurde gründete sich die Initiative Froschberg, die sich, wie uns berichtet wurde, laufend erweitert und neue Unterstützer findet. Schon vor der Infoveranstaltung sammelte die Initiative 305 Unterschriften gegen diesen Vorhaben. Vor und nach den Veranstaltungen kamen jeweils noch einige dazu. Es sind viele unterschiedliche Leute die hier zusammenkommen, „jeder kann sich einbringen und von jung bis alt gibt es immer mehr Nachbarn die etwas machen wollen, die sich wehren und ihr Viertel retten wollen“, hören wir beim Infotisch der Initiative. In einem Vorgarten einer Bewohnerin, gegenüber der Infoveranstaltung der WAG, positionierte sich die Initiative Froschberg mit einem Infotisch und einem Banner „Froschberg bleibt!“. Der Andrang war groß, vor allem das Bedürfnis der Bewohner sich über dieses unfassbare Vorhaben, welches eine Zerstörung ihres Viertels heißen würde, auszutauschen. Die Stimmung ist geteilt, manche meinen es sei „eine gegessene Sache“, da könne man nicht viel machen. Viele aber meinen auch, man müsse zumindest alles versuchen und dürfe sich nicht einfach so geschlagen geben. „Die Stimmung bei den bisherigen Infoveranstaltungen zeigt ganz deutlich, dass dieses Projekt hier ganz wenige Unterstützer, aber sehr viele Gegner findet. Es gab fast ausschließlich kritische Fragen, viel Kritik, verärgerte Zwischenrufe und sehr viele blieben noch länger beim Stand um ihrem Unmut, Zorn, und ihrer Fassungslosigkeit Ausdruck zu verleihen. Wir sind zwar keine Architekten, aber die eigentlichen Experten wenn es um das Leben hier geht. Wir reden miteinander, haben viele fähige Leute unter uns und nun ein gemeinsames Vorhaben, das uns trotz vieler Unterschiede verbindet. Wir stehen erst am Anfang und haben schon sehr viel auf die Füße gestellt!“, zeigt sich ein Mitglied der Initiative zuversichtlich.
Das ganze Großprojekt trägt im Übrigen den klingenden Namen „Froschberg zwei punkt null“, am Plakat der Initiative steht daher auch „Initiative Froschberg 0.0“. Damit soll ausgedrückt werden, dass man nicht für ein paar Abänderung des Projektes ist, sondern Froschberg 2.0 verhindert werden soll!
Im Folgenden wollen wir unseren Lesern einen Einblick in die Eisenbahnersiedlung am Froschberg geben, mit Fotos, welche die Bewohner selbst aufgenommen haben, um zu zeigen was sie schützenswert finden.
(1) OTS0209, 15. Juni 2004: Privatisierung der Bundeswohnbaugesellschaften erfolgreich abgeschlossen
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