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Palästina: Pekinger Erklärung dokumentiert Hegemonieverlust der USA


Am 23. Juli unterzeichneten 14 palästinensische Kräfte in der chinesischen Hauptstadt Peking die sogenannte „Erklärung von Peking“. Diese hat vor allem den Zweck nationale Einheit unter den palästinensischen Kräften zu repräsentieren. Im Vergleich zu früheren Erklärungen der palästinensischen Kräfte dokumentiert jene aus Peking, dass das Gastgeberland China offenbar seinen Einfluss in Vorderasien ausdehnen konnte und die USA zunehmend ihre Hegemonie einbüßt. Ebenso beachtenswert ist der Umstand, dass es die erste gemeinsame Erklärung seit dem 7. Oktober 2023 ist, wo Hamas und Fatah gemeinsam als Unterzeichner auftreten.



 

Steigender Einfluss des chinesischen Sozialimperialismus


Die Erklärung (1) gibt als ihren Ausgangspunkt das „Nationale Versöhnungsabkommen“, unterzeichnet in Kairo (Ägypten) im Jahr 2011, und die „Algerien Erklärung“ unterzeichnet in Algier im Jahr 2022, an. Richtet man die Aufmerksamkeit auf die Austragungsorte dieser Konferenzen und der aus ihnen resultierenden Erklärungen, so dokumentieren sie eine Veränderung innerhalb der imperialistischen Hegemonieverhältnisse. Schon seit geraumer Zeit wird Ägypten hauptsächlich dominiert und in vielerlei Hinsicht kontrolliert durch den US-amerikanischen Imperialismus. Abgesehen von den jüngsten Entwicklungen im Ukraine-Krieg, ist Ägypten nach Israel der zweitgrößte Empfänger von US-amerikanischen Finanz- und Militärhilfen (2). 2013 beispielsweise finanzierte Washington rund 80 Prozent der ägyptischen Rüstungsausgaben und auch heute dürfte dieses Verhältnis mit jährlich 1,5 Milliarden an Zuwendungen (davon 1,3 Milliarden an das Militär) (3) keine wesentliche Veränderung erfahren haben. Damit ist davon auszugehen, dass jegliche internationalen Verhandlungen die in Ägypten ausgetragen werden, mehr oder minder durch die USA kontrolliert sind, oder zumindest nicht prinzipiell gegen die Interessen der USA erfolgen. Die oben genannte Erklärung aus dem Jahr 2022 wurde in einer Konferenz in Algerien unterzeichnet, was schon ein erster Hinweis für den sinkenden Einfluss des US-Imperialismus ist, da der russische Imperialismus zunehmenden Einfluss in Algerien gewinnt. Mit der Pekinger Erklärung wurde jedoch das erste Mal eine Konferenz der palästinensischen Kräfte direkt von einem imperialistischen Kontrahenten der USA ausgetragen. In der „Erklärung von Peking“ heißt es: „Zum Abschluss drücken die Fraktionen kollektiv ihren Dank und Wahrnehmung für die Bemühungen der Volksrepublik China und ihrer Führung für die Erreichung dieses wichtigen nationalen Abkommens aus.“ Ebenso werden die Volksrepublik China und die Russische Föderation als wichtige Freunde des palästinensischen Volkes bezeichnet. Dass der Einfluss des chinesischen Sozialimperialismus in Vorderasien groß ist, ist nichts Neues, dass sich China mit der Austragung der Konferenz aber direkt involviert, stellt ein neues Niveau der imperialistischen Einflussnahme des Landes dar.

 

Während es für die palästinensische nationale Befreiungsbewegung ein positives Signal ist, dass die Kräfte dieser Bewegung innerhalb einer Situation des Völkermordes in Gaza und der massiven Aggression des zionistischen Israels Einheit demonstrieren können, ist der zunehmende Einfluss des sozialimperialistischen Chinas eine Gefahr für die Untergrabung der Ziele der nationalen Befreiung. „Sozialimperialismus“ bezeichnet das Verdecken imperialistischer Interessen hinter „sozialen“ und „sozialistischen“ Phrasen und Formen. Der chinesische Sozialimperialismus versucht seinen imperialistischen Charakter unter anderem damit zu verdecken, dass er eine vermeintliche Unterstützung der unterdrückten Völker und Nationen gegen den Imperialismus propagiert, hauptsächlich gegen die USA. Damit bezieht sich die chinesische Führung hauptsächlich auf jene Frage die heute Milliarden bewegt: die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der unterdrückten Völker und Nationen vom Imperialismus.

 


Zweistaatenlösung oder nationale Befreiung?


In der „Erklärung von Peking“ wird, wie schon in der Erklärung vom Jahr 2022, als eine gemeinsame Forderung festgehalten: „Verpflichtung zur Etablierung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt, in Übereinstimmung mit den relevanten Resolutionen der Vereinten Nationen.“ Damit wird als gemeinsame Grundlage auf die Zweistaatenlösung referiert. Das „Recht auf Rückkehr der Geflüchteten zu ihren Häusern und Eigentum“ (4), das bei einer Erklärung von 13 palästinensischen Organisationen im Jahre 2005 in Kairo noch festgehalten wurde, findet sich in der Pekinger Erklärung nicht  mehr. Während die Zweistaatenlösung mit Sicherheit ein gewisser, wenn auch limitierter unmittelbarer Fortschritt in der gegenwärtigen Situation wäre, ist es wiederum gerade die „Zweistaatenlösung“, welche das Ziel der nationalen Befreiung, der vollständigen Souveränität und Unabhängigkeit Palästinas nie garantieren konnte. Im Gegenteil war es stets ein Kompromiss, um die Bestrebungen zur nationalen Befreiung niederzuhalten. Dass die Forderung nach einem Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge, alleine nach offiziellen Zahlen sind es 5,9 Millionen (!) die als palästinensische Flüchtlinge registriert sind (5), nicht in der Erklärung vorkommt, wird der Sache der palästinensischen Befreiung nicht zuträglich sein – ist es doch seit Jahrzehnten eine zentrale Forderung innerhalb der nationalen Befreiungsbewegung, welche insbesondere durch die „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) verteidigt wird.

 

Die Geschichte des palästinensischen Befreiungskampfes zeigt, dass die bekannte Forderung „Free Palestine“, also „Freiheit für Palästina“, keine Frage der formellen Zugeständnisse ist, sondern eine Frage tatsächlicher Errungenschaften gegen die Interessen imperialistischer Einflussnahme und zionistischer Aggression. Das beinhaltet neben der politischen Souveränität auch die ökonomische Unabhängigkeit als Voraussetzung für die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes. Mit der Erklärung von Peking haben die palästinensischen Kräfte gezeigt, dass sie auch inmitten der massiven Verschärfung der Widersprüche und des Völkermordes nationale Einheit demonstrieren können, was mit Sicherheit ein Impuls für den Widerstandskampf gegen die israelische Aggression sein kann. Gleichzeitig ist China, ebenso wie die USA, nicht als „Befreier der Völker“ auf die internationale Weltbühne getreten, sondern im Streben nach imperialistischer Neuverteilung und Hegemonie - was dem Recht der nationalen Souveränität und Unabhängigkeit der unterdrückten Nationen widerspricht. Die Erklärung von Peking wird voraussichtlich keine unmittelbar großen politischen Auswirkungen haben, aber sie markiert gewisse Änderungen in Kräfteverhältnissen, welche mittel- und langfristig sehr wohl entscheidenden Einfluss auf den Verlauf der Entwicklungen in der Region haben werden.

 

In diesem Artikel haben wir uns hauptsächlich auf die Bedeutung der Erklärung in Bezug auf die Imperialisten beschäftigt, und hier speziell China. In einem nächsten Artikel werden wir uns stärker mit den Kräften der palästinensischen nationalen Befreiungsbewegung und den Perspektiven des Kampfes der Palästinenser auseinandersetzen.

 

 

(1) kas.de

(2) wikipedia.org

(3) tagesschau.de

(4) miftah.org

(5) statista.com


Bildquelle: Protest for standing with Palestine in Tunisia Tunis Kassba, by Brahim Guedich, CC BY-SA 4.0

 

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