Die innenpolitischen Ereignisse der letzten Tage sind Ausdruck der politischen Krise und Instabilität in der sich die Herrschenden in Österreich befinden. Wurde von Seiten bürgerlicher Politikanalysten bereits von einer „drohenden Staatskrise“ gesprochen, zeigt das nur wie ernst es den Vertretern des Kapitals mit ihren Vorhaben einer Sparregierung gegen die Interessen der Bevölkerung ist. Was in den vergangenen Tagen auch mehr als deutlich gemacht wurde: Wahlkämpfe und deren zahlreiche Versprechungen haben nichts mit der sogenannten „Realpolitik“ zu tun – sondern werden vor allem als Spektakel für die Wähler ausgetragen. Die Umbrüche in der politischen Parteienlandschaft in Österreich werden nun höchstwahrscheinlich auch in Regierungskonstellationen einzementiert werden.
„Zuckerl-Koalition“ geplatzt: Neue Farben für künftige Sparregierung
Mit dem Ziel und Versprechen der „Stabilität“ wurde der Wahlkampf zur Nationalratswahl Ende September 2024 eingeleitet. Dazu hielt Die Rote Fahne fest: „Innerhalb dieser Verhältnisse versuchen die Herrschenden in Österreich mit der kommenden Nationalratswahl die politische und wirtschaftliche Entwicklung möglichst zu stabilisieren: das bedeutet eine möglichst stabile Lage, um weiter den Kurs der EU-Aufrüstung, der NATO-Einbindung und des Demokratie- und Sozialabbaus verfolgen zu können. ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS zeigen sich dabei hauptsächlich als willige Verteidiger dieses Kurses (…).“ (1) Wohl wissend, dass die ÖVP als Juniorpartner der FPÖ weiter den Kurs des Niedergangs beschreiten wird, versuchte Nehammer eine Regierung mit SPÖ und NEOS zu formen. Dass die Industriellenvereinigung von Beginn an gegen eine solche Regierung gewesen wäre, wie es von so manchen nun behauptet wird, stimmt nicht, denn diese will vor allem ihre Vorhaben umgesetzt wissen und die SPÖ war ohnehin bereit ihre zentralsten Wahlkampfforderungen für eine Regierungsbeteiligung fallen zu lassen. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht auch, dass die NEOS als erstes aus den Verhandlungen ausgestiegen sind und nicht die SPÖ – diese wollte offenbar unbedingt Teil der künftigen Kürzungsregierung gegen das Volk sein. Noch Ende Dezember 2024 meinte IV-Präsident Georg Knill, insgesamt seien ihm „Farbenspiele egal“, „solange nur erkannt werde, dass beim Standort Feuer am Dach sei“ und das bedeute es brauche jetzt „mutige, nicht immer populäre Maßnahmen“ (2) In welche Richtung diese „unpopulären Maßnahmen“ gehen sollen, haben wir bereits in unserer Dezember-Ausgabe der Roten Fahne in Bezug auf die Industrie und die Arbeiterklasse umrissen: „Deindustrialisierung Österreichs?“ [LINK]. Nun kommt die FPÖ zum Zug und mit ihr höchstwahrscheinlich auch ein EU-Defizitverfahren.
Neue FPÖ-ÖVP Koalition startet mit EU-Defizitverfahren?
Im Zuge der Berichterstattung des ORF in den letzten Tagen wurde in stundenlangen Sondersendungen zwar wenig über die tatsächlichen Beweggründe für das Scheitern der Zuckerl-Koaltion gesprochen, doch ausreichend eines hervorgestrichen: „es geht ums Geld“ und was mit einem EU-Defizitverfahren drohen würde. Sieht man sich die zahlreichen EU-Defizitverfahren der letzten Jahrzehnte (Österreich hatte auch bereits eines das 2009 startete) an, so ist klar, dass es diese nicht immer so heiß gegessen wie gekocht werden – vor allem wenn es sich um die führenden Ländern der EU wie bspw. Deutschland handelt. Ende 2024 wurden gegen sechs EU-Länder Defizitverfahren eingeleitet, darunter auch Frankreich. Gleichzeitig ist es doch ein gewisses Instrument, um die jeweiligen Mitgliedsstaaten „auf Kurs“ zu halten und wenn notwendig Maßnahmen im Interesse der Hegemonialkräfte in der EU durchzusetzen. Dass das „Schreckgespenst“ Defizitverfahren in diesen Tagen besonders stark getrommelt wurde, ist ein Hinweis darauf, die neue Regierungsbildung auch unter gewissen Prämissen ablaufen zu lassen – und damit vor allem an die FPÖ-Spitzen gerichtet. Der Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, meinte in einer ZIB Spezial, es „wird eine Sanierungskoalition werden müssen“. In der ZIB vom 5. Jänner meinte dieser auch: „Im ersten Jahr alleine wären sechs Milliarden Euro einzusparen, wenn man denn das Defizitverfahren vermeiden möchte (…) und das ist schon ziemlich brutal.“ In Richtung Wahlkampfversprechen sagte er: „Ich glaube man muss schon fair sein: Wenn man die Parteien nur danach beurteilt, was sie vor den Wahlen gesagt haben, dann könnten sie nie irgendein Budget zusammenstellen. Die Freiheitlichen sind da nicht anders und sie haben natürlich aus der Oppositionsrolle entweder irrelevante Forderungen oder Forderungen erhoben, die eher in die umgekehrte Richtung gehen.“ Das bedeutet im Klartext: wenn sich die neue Regierung in den nächsten zwei Wochen nicht auf ordentliche Sparvorhaben im Dienst des Kapitals einigt, dann kommt die EU-Kommission und zeigt wo der richtige Weg ist: „Übrigens: weil sich die alten Partner [Anm: ÖVP-SPÖ-NEOS] auf die sieben Jahre geeinigt haben, das finde ich ein bisl witzig, weil die können sich auf gar nichts einigen, weil die sieben Jahre können sie nur mit der Europäischen Kommission vereinbaren. Und wenn sie das tun und wenn die Kommission dem zustimmt, dann heißt das, dass sie gleichzeitig auch außerhalb der Budgetsanierung Reformmaßnahmen bindend beschließen müssen, deren Umsetzung die Europäische Kommission überwacht und davon hat auch noch keiner geredet.“ (3), so Badelt.
Obwohl es noch keinen Tag der Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP gab, wurde schon relativ klar gezeigt, in welche Richtung eine neue Bundesregierung gehen muss. Für die Bevölkerung, und insbesondere die Arbeiter, Angestellten und kleinen Selbständigen, werden weiterhin hohe Preise, harte Einsparungen und Angriffe zukommen – und jene Initiativen und Zusammenschlüsse die heute schon die demokratischen Rechte des Volkes verteidigen, sich gegen die imperialistische Aufrüstung und den Sozialabbau stellen, müssen gestärkt und unterstützt werden!
(1) Die Rote Fahne, Nr. 31, „Sind die Wahlen eine Perspektive? Plädoyer für aktiven Wahlboykott.“
(2) diepresse.com; „IV-Präsident Knill: EU-Defizitverfahren käme Selbstaufgabe gleich“
(3) ZIB2 vom 05.01.2025; Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrates
Bildquelle: Austrian Chancellor Nehammer - Cabinet of Ministers of Ukraine - CC BY 4.0
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