Wie in einer unserer Korrespondenzen vor rund zwei Wochen aus Steyr berichtet wurde, soll das ehemalige MAN-Werk in Steyr (jetzt Steyr Automotive) nach internen Informationen aus der Belegschaft noch bis Ende des Jahres schließen. Vom Konzern oder bürgerlichen Medien wurde bislang noch nichts darüber berichtet, was angesichts der Erfahrungen rund um die Schließung von MAN Steyr noch nicht viel heißen mag. Dass die Belegschaft seit der Übernahme von Siegfried Wolf vor drei Jahren um mehr als die Hälfte reduziert wurde, und nach den aktuellen Kündigungen nicht einmal mehr 1.000 Arbeiter im Werk beschäftigt sein werden, ist in Realität bereits ein „Sterben auf Raten“. All jene sogenannten „Arbeitervertreter“, die die Übernahme von Wolf als „Erfolg“ bezeichnet haben, entpuppen sich spätestens jetzt als beste Helfer von Konzern- und Kapitalinteressen.
Geschichte einer faulen Übernahme und ein Sterben auf Raten
In einer „Urabstimmung“ im Jahr 2021 lehnte die damalige MAN-Belegschaft zu zwei Drittel die Übernahme von Investor Siegfried Wolf ab. Ungeachtet dieser angeblich „demokratischen Wahl“ wurde kurze Zeit später der Verkauf durchgewunken. Nicht wenige Tatsachen sprechen dafür, dass diese Übernahme von Beginn an ein abgekartetes Spiel war. Der Unternehmer Wolf ist durchaus kein „Fliegengewicht“ in der europäischen Automobilindustrie: Der ehemalige Chef von Magna (Stmk) sitzt unter anderem in den Aufsichtsräten des deutschen Automobilzulieferers Schaeffler, sowie der Porsche SE, der Milliarden-Holding der Familie Porsche und Piech, zu der auch Volkswagen und damit MAN gehört. Es war also ein offenbar erfolgreicher Deal innerhalb des Unternehmensvorstandes, um im selben Werk zu günstigeren Konditionen zu produzieren. Immerhin bedeutete die Übernahme eine Lohnsenkung von 10 bis 15 Prozent und eine um 500 Arbeitsplätze „schlankere“ Belegschaft. Wolf antwortete sogar ganz offen auf die Frage der OÖN „Was sagen Sie jenen, die argumentieren, Siegfried Wolf hilft dem VW-Konzern, ein teures Produktionswerk loszuwerden und später als billigeren Standort wieder zurückzukaufen?“ mit „Verwerflich wäre das nicht“ (1)!
Und was sagte die Gewerkschaftsführung, als die Arbeiter trotz Urabstimmungsergebnis vor die Wahl „friss oder stirb“ gestellt wurden? Helmut Emler, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender von MAN Steyr und heute von Steyr Automotive, meinte es sei „ein Erfolg, dass der Standort bestehen bleibt. Das war immer das Ziel“ (2). Nach der offiziellen Übernahme sahen die Gewerkschaften PRO-GE und GPA die Ankündigungen von MAN und Wolf als einen „ersten Schritt nach vorne“ und beide Gewerkschafter Alois Stöger (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA) ergänzten: „Unser Einsatz für die Belegschaft und für gute Arbeitsplätze geht weiter“ (3). Dass keiner von beiden bei den letzten beiden Kündigungswellen und der de facto Halbierung der Belegschaft einen Finger gerührt hat zeigt, wie dieser „Einsatz“ innerhalb der Gewerkschaftsspitzen aussieht: Wenn der Hut brennt werden große Reden geschwungen, aber die tatsächlichen Interessen der Arbeiter werden bei diesen Herren doch schon beim Frühstück hinuntergewürgt! Der ÖGB bezeichnete die Einigung von MAN und Wolf, trotz Missachtung des Abstimmungsergebnisses der Belegschaft, als einen „Erfolg für Betriebsrat und Belegschaft“ (4). Der ehemalige Arbeiterbetriebsrat von MAN Steyr, Erich Schwarz, meinte noch 2022: „Ich bin jedoch überzeugt, dass Siegfried Wolf einen Plan B entwerfen und das Werk Steyr auch zukünftig auslasten wird“ (5) und drückt im selben Interview seine Bewunderung über Wolf aus, den „wir als Industriellen und Manager schätzen“. Diese sogenannten „Arbeitervertreter“, die angesichts dieser Tatsachen nur den Konzernchefs und Kapitalisten in die Hände spielen, sind entweder vollkommen naiv, oder (und das ist wahrscheinlicher) so weit mit dem Kapital und dessen Chefs und Manager verschmolzen, dass es hauptsächlich darum geht, dass diese ihre Geschäfte möglichst reibungslos über die Bühne bringen können – ohne „lästige“ Arbeitskämpfe, Streiks oder Organisierung im Betrieb.
Eine der Kräfte die sich schon von Beginn an für den Erhalt der Arbeitsplätze und gegen die Übernahme einsetzte und zum Kampf dagegen aufrief, war der „Arbeiterstammtisch Linz/Steyr“. In einem Flugblatt vom Juni 2021 schrieben diese Arbeiter, dass Wolf die Übernahme trotz Abstimmungsergebnis machen konnte, weil er „weiß, dass er von Seiten der Gewerkschaftsführung und Politik keine Probleme bekommt“. Sie schreiben: „Mit den ersten Verschlechterungen wie Lohnkürzungen und Arbeitsplatzabbau wird die Sache nicht gegessen sein. Daher muss es Widerstand gegen Wolf und seine Übernahme geben, genauso wie gegen alle zukünftigen Verschlechterungen.“ (6) Damit hatten sie angesichts aller weiteren Entwicklungen vollkommen recht und hätten die Herren Gewerkschaftsfunktionäre ihre Ansage „weiteren Einsatz für die Belegschaft“ ernst gemeint, wären die letzten drei Jahre nicht ohne eine Mobilisierung und Vorbereitung der Arbeiter auf genau diese Kündigungswellen vonstatten gegangen.
Gewerkschaftsspitze und Kapital: eine innige Beziehung?
Der „ehrenwerte“ Investor Wolf, den die Gewerkschaftsfunktionäre offenbar so sehr „schätzen“, ist jedoch gar nicht so „ehrenwert“ wie diese sich das wünschen, sondern ein Konzernboss wie aus dem Bilderbuch: immer zu Diensten im Interesse des Kapitals. Ende 2023, also kurz nach der letzten Kündigungswelle bei Steyr Automotive (360 Arbeiter wurden wegen „Kostenreduktion“ entlassen), kaufte Siegfried Wolf das Russland-Geschäft des Auto- und Industriezulieferers Schaeffler (bei dem Wolf im Aufsichtsrat sitzt). Der Kaufpreis lag früheren Angaben zufolge bei 10 Millionen Euro. (7) Wolf machte auch mit Grundstücksverkäufen seiner „Fontana Sportveranstaltungs GmbH“ im niederösterreichischen Oberwaltersdorf mehrere Millionengeschäfte. (8) In Vorarlberg bezeichnet man Wolf sogar schon als „Großgrundbesitzer“, wo er sich mit mindestens drei seiner Immobiliengesellschaften im Lechtal eingekauft hat. (9) Dass Siegfried Wolf also kauft und lukrativ auch wieder verkauft, ungeachtet von Verträgen und Belegschaften, ist offensichtlich kein Geheimnis. Dass Gewerkschaftsspitzen und Betriebsräte im Zuge der Übernahme von „Erfolg“ und „Sicherung des Standortes“ sprechen, ist pure Verhöhnung der Arbeiter! Solchen „Vertretern“ darf kein Wort mehr geglaubt werden!
Nur der organisierte Widerstand der Arbeiterklasse hilft!
Die Lehren dieser Übernahme sind zahlreich und vor allem von hoher Bedeutung nicht nur für die Belegschaft von Steyr Automotive, sondern für die gesamte Arbeiterklasse. Je weiter sich die Arbeiter von Illusionen und leeren Versprechungen zurückdrängen lassen, desto höher wird die nachher präsentierte Rechnung. Angesichts der massiven Kündigungswellen und einer eventuell drohenden Schließung, müssen sich die Arbeiter heute zusammenschließen und diesen Angriffen entgegentreten – das gilt nicht nur für die Arbeiter in Steyr, sondern weit darüber hinaus!
(1) kontrast.at
(2) moment.at
(3) logistik-express.com
(4) automobilwoche.de
(5) traktuell.at
(6) Flugblatt Arbeiterstammtisch Linz/Steyr, Rote Fahne Archiv
(7) kurier.at
(8) profil.at
(9) vol.at, kurier.at
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