Jedes Wahlergebnis muss bekannterweise spektakulär und am besten erdrutschartig präsentiert werden können – nicht nur aufgrund der Medienquoten, sondern auch um eine dementsprechende Stimmung aufrechtzuerhalten oder zu erzeugen. So auch bei der vergangenen Landtagswahl in der Steiermark, deren Ergebnis durchaus nicht unvorhersehbar war. Ebenso ist dieses Ergebnis nicht nur als „Wink“, sondern als „richtige Watschn“ Richtung aktueller Verhandlungen der „Zuckerl-Koalition“ zu werten. Noch nie in der Geschichte der Landtagswahlen in der Steiermark erreichten ÖVP und SPÖ gemeinsam weniger als 50 Prozent.
„Kein weiter wie bisher“ im Mund der Falschen.
In den Koalitionsmauscheleien der sogenannten „Zuckerl-Koalition“ hat man bisher wenig inhaltliches, aber zuhauf das unglaubwürdige Versprechen „Kein weiter wie bisher“ gehört. Denn während dieser Satz gerade aus dem Mund von ÖVP und SPÖ kommt, welche in der einen oder anderen Form die Politik der Herrschenden seit Jahrzehnten repräsentieren, schlittern sie von einer Wahlniederlage zur nächsten. Nun haben sie erneut ein „historisch schlechtestes Wahlergebnis“ erreicht... Dass „kein weiter wie bisher“ ein eher missglückter Versuch der Rechtfertigung einer Verliererkoalition als etwas ernstzunehmendes ist, zeigen alleine folgende Beispiele aus den jüngsten Medienberichten. Außenminister Schallenberg (ÖVP) empfing am 20. November den ukrainischen Außenminister Andrij Sybiha. Unter dem verdrehten Slogan „Neutralität bedeutet nicht Gleichgültigkeit“ wird ein kriegführendes Land unterstützt und weitere Millionen wurden zugesichert. Dass „kein weiter wie bisher“ als erbärmliche Floskel dient, zeigte wiedermal auch die SPÖ: Unter dem Titel „Wir sind im Rennen um Platz 1“ versuchte die steirische SPÖ die Realität zu verweigern. „Man darf Umfragen nie überbewerten (…) wir sind voll im Rennen bei dieser Landtagswahl“ (1) Wie sehr sie „im Rennen“ sind zeigte das Wahlergebnis. Diese Beispiele zeigen, und es ließen sich noch zig andere finden, dass es ein „weiter wie bisher“ ist und dieses „Weiter“ wurde bei der Landtagswahl in der Steiermark auf jeden Fall abgestraft.
„Große Koalition“ ist Geschichte?
Wäre sich beim Ergebnis der Nationalratswahl im September eine Mehrheit von SPÖ und ÖVP noch knapp ausgegangen (für eine Koalition trotzdem unzureichend), ist das beim Ergebnis in der Steiermark schon nicht mehr der Fall. Tatsächlich gab es seit 1945 keine Landtagswahl in der Steiermark, bei der SPÖ und ÖVP gemeinsam nicht die Mehrheit erhalten haben. Im Jahr 1981 lagen SPÖ und ÖVP gemeinsam beispielsweise bei 93,6 Prozent, 2000 bei 79,6 Prozent und 2015 noch bei 57,8 Prozent. (2) Bei dieser Wahl waren es 48,2 Prozent und damit erstmals unter der 50-Prozent-Marke. Das Ergebnis ist also kein „Erdrutsch“, sondern verdeutlicht einen Umbruch als Resultat einer jahrzehntelangen Tendenz. Und dieser politische Umbruch geht einher mit dem was die Herrschenden seit einigen Jahren als „neue Normalität“ bezeichnen: die Kulmination einer Politik der Reallohnsenkung, des sinkenden Lebensniveaus, der Kriegshetze und Aufrüstung, der Deindustrialisierung und des Sozial- und Demokratieabbaus. Das „kein weiter wie bisher“ stimmt demnach für beide Seiten: Für die Herrschenden und das Kapital, welche die Schrauben enger ziehen und für die Bevölkerung, die nicht mehr gewillt ist diesen Kurs einfach so mitzutragen.
Auch in Hinsicht des Ergebnisses der FPÖ war es kein wirklicher „Erdrutsch“ der vom Himmel geflogen ist, wenngleich ein Vorsprung von acht Prozent zur ÖVP durchaus beachtlich ist. Bei der Landtagswahl 2015 erzielte die FPÖ bereits 26,8 Prozent, fast eine Verdreifachung gegenüber 2010. Das Ergebnis von 2019, sie lag bei 17,5 Prozent, war eine bundesweite Erscheinung, nach dem Ibiza-Skandal. Auch inhaltlich war es keine Überraschung: Bei einem Großteil der FP-Wähler waren jene Themen für die Wahlentscheidung ausschlaggebend, die sich am stärksten gegen den derzeitigen politischen Kurs der Herrschenden richten. Teuerungen, Bildungssystem, horrende Wohnkosten, Arbeitsplatzerhalt, Gesundheit und Soziales, sowie Zuwanderung (3) waren entscheidende Wahlmotive der FPÖ-Wähler. Angesichts dieser Tatsachen wirkt es eher satirehaft, dass beispielsweise der KPÖ-Landesvorsitzende der Steiermark, Robert Krotzer, kurz nach der Verkündigung des Wahlergebnis in einem ORF-Interview meinte: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Themen die der KPÖ ein sehr großes Anliegen sind - leistbares Wohnen, Gesundheit oder Pflege – in der Wahlentscheidung eine untergeordnete Rolle gespielt haben.“ (4) Da eifert die KPÖ wohl den Praktiken der alteingesessenen wahrheitsverdrehenden Politiker nach und versucht die Tatsachen zu Gunsten ihres Image zu vertuschen. Denn es war beispielsweise gerade das Thema Gesundheit, welches der FPÖ in Rottenmann, Trieben und Schladming (alle wären von der drohenden Spitalsschließung betroffen) Ergebnisse von bis zu 62 Prozent bescherte. Sowohl Umfragen, als auch offensichtlich die Realität zeigen, dass die KPÖ nicht wegen der „Themen“ Verluste hinnehmen musste.
KPÖ als „kritisches“ Anhängsel der Herrschenden?
Die KPÖ verlor gegenüber der letzten Landtagswahl rund 1,5 Prozentpunkte der Wählerstimmen und landete damit bei rund 4,5 Prozent. Einerseits hat ihr offenbar auch der „Bürgermeister-Bonus“ in Graz nichts gebracht und andererseits konnte sie trotz massiver Bedeutungssteigerung der sozialen und demokratischen Fragen keinen Zugewinn erzielen. Das bestätigt, dass die lokalen Wahlerfolge wie Salzburg oder Graz keine Garantie für weitere Erfolge sind, auch nicht (oder gerade nicht) mit einer zunehmend angepassten Politik. Dass die KPÖ auch in der Steiermark zunehmend nichts mehr mit der historischen Kommunistischen Partei Österreichs zu tun hat, zeigt auch die soziale Basis der Wählerschaft. Denn besonders drastisch verlor die KPÖ in den Industriegebieten, also den Regionen mit hohem Industriearbeiteranteil. In Leoben halbierten sich die Stimmen der KPÖ auf 5,78 Prozent, ebenso hatte sie hohe Verluste in Trofaiach, Eisenerz, und Knittelfeld zu verzeichnen. (5) Während die KPÖ in der Steiermark, offenbar trunken von Wahlerfolgen, immer mehr zur angepassten (klein)bürgerlichen Partei werden möchte, verliert sie genau jene Klasse, deren Interessen sie einst erst zur Partei werden ließen. Heute will sie auf „die Finger schauen“ und „kritisch kontrollieren“ und ist wahrscheinlich so weit weg wie noch nie von der Kampfpartei der Arbeiterklasse und der Unterdrückten.
Wahlergebnisse, Nichtwähler und politische Realität.
In Anbetracht der Anzahl der Wahlberechtigten ist die stimmenstärkste „Partei“ bei dieser Landtagswahl noch immer die Nichtwählerschaft. Rund 30 Prozent, bzw. 284.000 der 941.509 Wahlberechtigten, nahmen erst gar nicht an der Wahl teil (die FPÖ erhielt 227.000 Stimmen). (6) Diese Zahl ist deshalb von Bedeutung, und wird auch gerade aus diesem Grund in den bürgerlichen Medien meist unter den Tisch gekehrt, weil sie ein Zeichen der Ablehnung des pseudo-demokratischen Wahlspektakels ist, welches zwar eine gewisse Stimmung und „Kräftelage“ ausdrückt, jedoch keine prinzipiellen Verbesserungen für breite Teile des Volkes bringen wird. Die Realität ist, dass sich die Herrschenden in einer Krise befinden und ihre parlamentarischen Repräsentanten zu weiteren Sparpaketen, Einsparungen und antidemokratischen Maßnahmen drängen. So werden beispielsweise auch der Erhalt der Arbeitsplätze und Maßnahmen gegen Deindustrialisierung nur unter der Voraussetzung einer Verschlechterung der Löhne und Arbeitsbedingungen präsentiert. Der Erhalt des „Sozialsystems“, das heute schon nur noch mit einem zugedrückten Auge so genannt werden kann, wird mit der Notwendigkeit der Erhöhung des Pensionsantrittsalters verbunden. Der „Erhalt der Demokratie“ wird mit der Notwendigkeit der Einschränkung von Meinungsfreiheit und anderen demokratischen Rechten des Volkes erklärt. Diesen scheinbar „untrennbaren“ Verknüpfungen und Erklärungen entgegenzutreten, ist eine der Aufgaben im Kampf gegen tägliche Angriffe und Verschlechterungen. Dem wird keine dieser pseudo-demokratischen Wahlen Abhilfe leisten können, sondern nur die Tatkraft der Massen!
(1) stmk.spoe.at: „Wir sind im Rennen um Platz 1!“
(2) wikipedia.org: „Ergebnisse der Landtagswahlen in Österreich“
(3) orf.at: Wahlverhalten
(4) orf.on.at; ZIB Spezial, 24.11.2024
(5) zeitungderarbeit.at
(6) orf.at: Ergebnisse
Bildquelle: Landtagswahlkarte Steiermark 2024 by Furfur, - CC BY-SA 4.0
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