Türkei/Kurdistan: PKK verkündet Waffenruhe, Öcalan fordert Auflösung.
- Katharina J.
- 7. März
- 4 Min. Lesezeit

Am Donnerstag, den 27. Februar forderte der seit 1999 inhaftierte Anführer der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK), Abdullah Öcalan, die Auflösung der Partei und ein Ende des bewaffneten Kampfes. Dafür wurde ihm angeblich eine frühere Freilassung in Aussicht gestellt. Zwei Tage später verkündete die PKK eine Waffenruhe gegenüber dem türkischen Staat. Präsident Erdogan sprach von einer „historischen Gelegenheit“. Diese Versöhnung Öcalans mit der türkischen Reaktion war nicht unvorhersehbar und könnte eine Spaltung der PKK zur Folge haben.
Von (national-)revolutionären Bestrebungen zum bewaffneten Reformismus.
Öcalan begründete laut bürgerlichen Medien seinen Aufruf zur Beendigung des bewaffneten Kampfes unter anderem damit, dass der türkische Staat Fortschritte in Bezug auf die Meinungsfreiheit, sowie die Anerkennung unterschiedlicher Identitäten gemacht hätte und zentriert auf die „Notwendigkeit einer demokratischen Gesellschaft“ (1). Was Öcalan unter „demokratischer Gesellschaft“ versteht ist keine Form einer volksdemokratischen (bzw. neudemokratischen) Perspektive im Kampf gegen den Imperialismus, sondern eine Unterwerfung unter die „westlichen demokratischen“ Staaten. Dazu Öcalan: „Heute, am Ende des 20. Jahrhunderts, siegt im Allgemeinen die sich immer weiterentwickelnde Demokratie. In der Tat sind diejenigen Länder, die dieses System überzeugend und kontrollierbar anzuwenden wissen, die entwickeltesten Gesellschaften unserer Zeit. Ihre Staaten machen ihren Einfluss weltweit geltend. Das leuchtet ein, wenn man in Betracht zieht, wie die USA und England die Welt lenken und gestalten.“ (2) Öcalan revidierte im Jahr 2000 bereits das Ziel des Selbstbestimmungsrechtes der Völker: „Aber sie [die PKK, Anm.] hätte aus dem Zerfall des Realsozialismus die demokratische Lösung ableiten müssen. Sie hätte sehen müssen, dass das ‚Selbstbestimmungsrecht der Völker‘ seine Aktualität verloren hat, und erkennen müssen, dass die wissenschaftlich-technischen Veränderungen das Konzept des Nationalstaates, das seit dem 17. Jahrhundert entwickelt wurde, unterminiert haben, dass es realistischer ist, innerhalb der bestehenden Grenzen, und ohne sich zu ändern, die Demokratie zu verwirklichen. Kurz gesagt, die PKK hätte ihr Programm der 70er Jahre fallen lassen und ein neues Programm entwickeln müssen.“ (3)
Hielt die PKK-Führung vor Jahrzehnten noch an der Forderung eines eigenständigen kurdischen Nationalstaates und damit am Kampf gegen Imperialismus und nationaler Unterdrückung fest, versöhnte sie sich in Bezug auf ihre nationalen Forderungen im Laufe der Zeit immer mehr mit der Reaktion. Ein wichtiges Element jüngerer Zeit war hier auch die Allianz mit dem US-Imperialismus in Nord- und Ostsyrien (Gebiet Rojava) und damit die Schaffung eines Aufmarschgebiets der USA in Syrien durch die syrischen Einheiten der PKK (PYD). Wesentlich war hierbei auch, dass es sich in dem Gebiet das durch die PYD kontrolliert wird, um das erdölreichste Gebiet Syriens handelt. Ein PKK-Vertreter meinte damals: „Wie will Amerika seine Ziele im Nahen Osten ohne die PKK erreichen? Ohne die Kurden? Das geht nicht. Wie will Europa ohne uns seine Abhängigkeit vom russischen Gas beenden? Der Weg des Erdöls und Erdgases zum Mittelmeer führt auch durch Rojava. Wenn dieser Weg gesichert werden könnte, könnte auch Europa aufatmen.“ Weiter meinte er: „Die USA plant, sich in dieser Region lange aufzuhalten und Rojava zu unterstützen. Das ist für PYD und die Führung in Rojava ein wichtiger Schritt.“ (4) Mit dem Anfang Dezember 2024 erfolgten Putsch in Syrien, ergeben sich für die sogenannten „westlichen“ Imperialisten, hauptsächlich die USA, auch noch andere Möglichkeiten. Der ehemalige US-Präsident Biden sprach am 13. Dezember 2024 von einer „historischen Gelegenheit“, die sich für die USA nach dem Sturz Assads böte. (5) Anfang Jänner erklärte die USA bereits eine Lockerung der Sanktionen gegen Syrien. (6) Wenn die syrischen HTS-Machthaber ihre Bereitschaft zum Dienst an den US-Interessen beweisen, steht auch die Unterstützung der USA für die PYD in Syrien auf wackligen Beinen und damit jener Arm der PKK, auf den sich der bewaffnete Kampf in den letzten Jahren hauptsächlich konzentrierte.
Diese Entwicklungen zeigen, dass der bewaffnete Reformismus, also die Aufgabe der revolutionären und antiimperialistischen Inhalte des bewaffneten nationalen Kampfes, keine Perspektive für die unterdrückten Völker und Nationen darstellt. Selbst wenn es nicht unmittelbar zu Friedensverhandlungen und einer Auflösung der PKK kommen sollte, werden jene Kräfte innerhalb der PKK-Führung, welche sich von den vorhin genannten Inhalten verabschiedet haben, auf Perspektive zur Versöhnung mit dem türkischen Staat und seinen imperialistischen Gebietern drängen.
Wird sich die PKK so einfach „auflösen“ lassen?
Die Erklärung Öcalans, dass der „türkische Staat Fortschritte“ gemacht habe, werden wohl nicht alle Kämpfer in den Reihen der PKK teilen. Viele davon haben jahrzehntelang ihr Leben im Kampf aufs Spiel gesetzt und große Opfer gebracht. Erst Ende 2024 bombardierte der türkische Staat die kurdischen Kämpfer im Nordirak und Nordsyrien. Es ist wohl anzunehmen, dass viele von ihnen weder zur Kapitulation, noch zur Versöhnung mit den Herrschenden in der Türkei bereit sind. Mit der öffentlichen Aufforderung und in Folge der Durchsetzung der Auflösung der PKK und der Beendigung des bewaffneten Kampfes, provoziert Öcalan eine Spaltung der PKK.
In einer Zeit internationaler Veränderungen und Umbrüche, welche wir heute in rascher Abfolge erleben, gewinnt sowohl die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der unterdrückten Völker und Nationen, als auch der Kampf gegen imperialistischen Krieg und Ausplünderung immer höhere Bedeutung. Das in die Bewegungen der Arbeiter, Völker und Nationen zu tragen, ist eine der Aufgabe der demokratischen und revolutionären Kräfte.
(1) orf.at, „PKK soll Kampf gegen Türkei beenden“
(2) Abdullah Öcalan: Zur Lösung der kurdischen Frage – Visionen einer demokratischen Republik, S. 84, Hg. Kurdistan Informations-Zentrum, 1. Auflage, September 2000, Berlin
(3) Abdullah Öcalan: Zur Lösung der kurdischen Frage – Visionen einer demokratischen Republik, S. 65, Hg. Kurdistan Informations-Zentrum, 1. Auflage, September 2000, Berlin
(4) Interview mit PKK-Funktionär Cemil Bayik, zit. aus linkezeitung.de, „Taktisches Bündnis mit US-Imperialismus führt zur Niederlage“
(5) tagesschau.de; „Welche Ziele verfolgen die USA in Syrien?“
(6) orf.at; „USA wollen Syrien-Sanktionen vorübergehend lockern“
Bildquelle:
Abdullah Öcalan, AhmedDestan, Wikimedia Commons, CC BY 4.0
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