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Agnes P.

„Wenn der Himmel Feuer speit“: Die indische Organisation FACAM und der Kampf gegen Militarisierung und Korporativismus.




Drohnenangriffe und Flächenbombardierungen sind in vielen Regionen Indiens längst keine Seltenheit mehr. Am 13. Jänner dieses Jahres wurde die dritte drohnenbasierte Bombardierung gegen die indische Bevölkerung im Laufe von nur fünf Tagen durchgeführt, die meisten davon konzentrieren sich auf zentralindische Gebiete die vor allem von Ureinwohnern (sogenannte Adivasi) bewohnt werden. Anfang dieses Jahres wurden weitere 3.000 Militärkräfte in diese Gebiete verlegt, zusätzlich zu den 10.000 ohnehin bereits dort stationierten Paramilitärs. Alleine in der Region Abuj Maad, wo 35.000 Menschen leben, gibt es sechs Militärbasen. Oder in der Region Abujmarh, hier kommen nun auf sieben dort lebende Adivasi drei Militärkräfte. Die Frage scheint naheliegend: Steht Indien im Krieg, wird es von einem anderen Land angegriffen?

 

Das Forum gegen Korporativismus und Militarisierung (engl.: Forum against Corporatization and Militarization, FACAM), ein Zusammenschluss unterschiedlicher ziviler Organisationen, spricht von einem „genozidalen Krieg gegen das eigene Volk“, der durch den indischen Staat geführt wird, von einem „inoffiziellen Bürgerkrieg“ der mit der militärischen Besatzung großer Teile des eigenen Landes einhergeht. Besonders in den letzten Monaten ist dieser Krieg gegen das eigene Volk durch die neue Militärkampagne „Prahar“ intensiviert worden. Die „Operation Prahar“ ist Teil der 2017 gestarteten, viel größer angelegten „Operation Samadhan“, welche als konterrevolutionäre Operation, als Ausfstandsbekämpfung durch den indischen Staat geführt wird. „Die Ähnlichkeit in der Vorgehensweise zwischen den bewaffneten Kräften und den Paramiliärs in der Besetzung von Land und der Errichtung von verschiedenen paramilitärischen Camps in einem Gebiet, widerspiegelt eine gemeinsame militärische Ausrichtung hinter diesen Aktivitäten. Wir glauben dass die Operation SAMADHAN-PRAHAR die Verkörperung dieser militärischen Ausrichtung ist und es ist notwendig im ganzen Land Widerstand zu leisten um diese hemmungslose Militarisierung aufzuhalten“, so die Organisation FACAM zur Verbindung zwischen den staatlichen bewaffneten Kräften und den Paramilitärs.


Zur Intensivierung des Krieges gegen das eigene Volk, besonders der Bombardierungen, hat die indische Luftwaffe nun zusätzlich mehr als 30 israelische Heron Mark 2 Drohnen eingekauft, welche bisher vor allem in Mali, Afghanistan und gegen die Bevölkerung in Gaza verwendet wurden. Indien ist mittlerweile weltweit der größte Käufer von Waffen, zudem der größte Abnehmer israelischer Waffen, hier unter anderem auch die israelische Spionagesoftware „Pegasus“, welche zur Ausspionierung von Mobilgeräten der Zivilbevölkerung benutzt wird.

 

Die Regionen Indiens, in welchen sich die Kriegshandlungen nun mit der Operation Prahar besonders verschärfen, sind gleichzeitig auch jene Gebiete welche besonders ressourcenreich sind und wo die Bevölkerung eine lange Tradition des Kampfes gegen den Ausverkauf und Raub ihres Landes hat. Eines der Zentren der Operation ist die Region Abujmarh, in der verschiedene Stammesgemeinschaften leben, und welche gleichzeitig neben Erz, Kalk und Uran auch ein Eisenvorkommen von 700 Millionen Tonnen umfasst. Diese Ressourcen sollen aber nicht zur Verwendung für die indische Bevölkerung abgebaut werden, sondern der indische Staat tut alles dafür, um die dort ansässige Bevölkerung zu vertreiben und die Ressourcen an internationale Monopole, an die Imperialisten auszuverkaufen. Deshalb verweist FACAM auch darauf, dass Militarisierung und Korporativismus Hand in Hand gehen: „Die Mobilisierung von Paramilitärs durch den Indischen Staat in der Operation Kagar ist eine höchst alarmierende Situation (…) dessen Kernziel es ist den Ausverkauf der Rohstoffe Indiens zu intensivieren, während jede Form des Volkswiderstandes niedergewalzt werden soll“. Der Korporativismus wie er derzeit besonders durch die indischen Herrschenden vorangetrieben wird, bedeutet die Privatisierung (Ausverkauf) des sogenannten Gemeinwesens (Ressourcen, Wald, Land, öffentlichen Dienstleistungen) unter staatlicher Kontrolle. Und am Beispiel Indiens, einem halbkolonialen und halbfeudalen Land, kommt dieser Prozess vor allem den imperialistischen Mächten und Monopolen zugute, welche durch milliardenschwere Kapitalinvestitionen zum Taktgeber dieses Prozesses werden und auch die hauptsächlichen Profite daraus ziehen. In Indien selbst hat dieser Prozess zu einer enormen wirtschaftlichen Krise geführt, aus welcher sich der indische Staat mit der Verstärkung der hindufaschistischen Kräfte unter Führung von Primeminister Modi, noch härteren wirtschaftlichen Maßnahmen und weiteren genozidalen Kampagnen gegen das Volk zu retten versucht.

 

Die räuberischen Minenprojekte und die damit einhergehende Militarisierung haben zu massiven Volksbewegungen in der Region geführt, welche sehr eng mit der revolutionären Bewegung des Landes verbunden ist. Großer Widerstand entwickelte sich beispielsweise gegen den amerikanischen Großkonzern Dow Chemical in Nandigram, der gleiche imperialistische Monopolkonzern der auch hinter der Produktion von Agent Orange und Napalm stand, die bspw. im Vietnamkrieg zum Einsatz kamen, oder die Volksbewegung gegen den Landraub durch die Errichtung einer „Sonderwirtschaftszone“ für den Autokonzern Tata Motors in Singur. Alleine in der Region Chhattisgarh finden aktuell gerade mehr als 34 Proteste gegen Minenprojekte, Militarisierung und Vertreibung der Bevölkerung statt. Einer davon in Odisha, wo aktuell 200 Adivasi-Frauen einen Sitzstreik abhalten, um den Bau einer Mine zu verhindern, welche ihre Lebensgrundlage zerstören würde. FACAM selbst ist Ausdruck dieser anhaltenden Proteste, da sie aus einer Vereinigung von 11 unabhängigen Organisationen (von Studenten- und Lehrerorganisationen bis hin zu Gewerkschaften) hervorgegangen ist, welche sich Kampf für die Beendigung der Militarisierung und des Ausverkaufes des Landes zusammengefunden haben.

 

Große Teile der indischen Bevölkerung stehen sowohl den Landvertreibungen, als auch den genozidalen Operationen nicht erfahrungslos oder wehrlos gegenüber. Die derzeit stattfindende Militäroperation SAMADHAN-Prahar ist ein neuer Versuch der indischen Herrschenden den Volkswiderstand und besonders die revolutionäre und kommunistische Bewegung (vor allem die sogenannten „Naxaliten“ die in Indien als Synonym für „Maoisten“ gelten) in Blut zu ertränken. Die mörderische „Operation Green Hunt“ welche 2008 begonnen hat und der Operation SAMADHAN-Prahar vorausging, wurde in einem langandauernden und aufopferungsvollen Kampf der indischen Volksmassen erfolgreich zurückgeschlagen. Und das, obwohl der indische Staat zu Beginn dieser Kampagne noch das Ziel zur vollständigen Beseitigung des „Maoismus“ und des „Linksextremismus“ in Indien, ausgab. Damit meint die Regierung die neudemokratische revolutionäre Bewegung, insbesondere den Volkskrieg der durch die Kommunistische Partei Indiens (maoistisch) geführt wird, und welcher der indischen Bevölkerung schlussendlich die politische Stärke und Verteidigungskraft verlieh um die Operation Green Hunt zu besiegen.


Als Resultat dieser Niederlage, gab die indische Regierung in der Operation SAMADHAN-Prahar die Orientierung aus, den „Naxalismus der Worte und der Waffen“ auszulöschen, also nicht nur eine militärische Aufstandsbekämpfungskampagne durchzuführen, sondern die Repression auch auf breitere Teile der unbewaffneten Volksbewegung auszudehnen. Dabei werden Menschenrechtsaktivisten, Stammesbewohner sowie bewaffnete Widerstandskämpfer gleichermaßen unter dem Vorwand der „Verbindung mit maoistischen Kräften“ verhaftet, gefoltert oder ermordet. Der blinde Hass des hindufaschistischen indischen Staates auf die revolutionären und kommunistischen Kräfte liegt in einer realen „Gefahr“ begründet: Dass das Indien des Kastenwesens, des Völkerkerkers, des Genozids, des Billiglohnlandes und Versuchslabors durch eine Revolution in ein neues unabhängiges und volksdemokratisches Indien verwandelt werden könnte. Eine Perspektive welche großen Teilen der Bevölkerung die Kraft und Hoffnung verleiht, den täglichen Kampf gegen genozidale Maßnahmen, Landvertreibungen und Repression, wie sie von FACAM organisiert und unterstützt werden, noch beharrlicher fortzuführen.

 

 





Quellen:

- Press Statement of the Forum Against Corporativization and Militarization (FACAM), February 2024

- India: CPI (Maoist) against “Operation Kagar”

- Resist Militarization of Naga villages – FACAM, maktoobmedia.com

- „Brute force used“: Odisha tribal women resist bauxite mining operations in Majingmali, sabrangindia.in

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